Süddeutsche Zeitung

Tedesco geht nach Russland:Karriere in Kyrillisch

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Von Sebastian Fischer

Domenico Tedesco spricht fünf Sprachen: Deutsch, Italienisch, Englisch, Spanisch und Französisch. "Es macht mir einfach Spaß", so hat er seine Begabung im Sommer vor zwei Jahren erklärt. "Mir ist es als Schüler relativ leicht gefallen, Wörter zu lernen. Es ist aber nicht geplant, jetzt noch eine neue Sprache dazu zu nehmen", sagte er damals, er bereitete sich gerade mit Schalke 04 auf seine erste Bundesligasaison als Trainer vor. Es war eher nicht abzusehen, dass er in Zukunft mal Russisch lernen müsste.

Am Montag, rund eineinhalb Jahre, nachdem er mit Schalke Bundesliga-Zweiter wurde und sieben Monate nach seiner Beurlaubung in der Saison danach, war Tedesco, 34, in Moskau. Am Vormittag leitete er seine erste Einheit als Trainer von Spartak, dem russischen Rekordmeister. Am Nachmittag wurde er offiziell vorgestellt, sein Vertrag gilt bis 2021. Es ist einer der ungewöhnlicheren Wege für einen Trainer, der immer noch als einer der talentiertesten in Deutschland gilt. Spartak, einer der vier berühmten Klubs aus der Hauptstadt, ist mit Ambitionen in die Saison gestartet, deshalb spielt dort auch André Schürrle.

Der frühere deutsche Nationalspieler ist für ein Jahr von Borussia Dortmund ausgeliehen. Rund 40 Millionen Euro hat der Klub für Zugänge ausgegeben, Talente aus dem Ausland kamen. Doch die Saison verläuft bisher nicht wie geplant. Zunächst scheiterte Spartak in der Qualifikation für die Europa League, im September verlor die Mannschaft dann in der Liga viermal in Serie, Trainer Oleg Kononow wurde entlassen. Am ersten Oktober-Wochenende folgte unter Interimstrainer Sergej Kuznetsow die nächste Niederlage. Spartak ist Neunter.

Aus Sicht des Klubs erscheint die Verpflichtung Tedescos sinnvoll. Geschäftsführer Tomas Zorn ist Deutscher. Er suchte einen Trainer, der das Team zunächst stabilisieren, aber auch junge Spieler entwickeln kann. Nur: Ist Moskau auch die richtige Wahl für einen jungen Trainer aus Deutschland, der sich entwickeln will? Tedescos Karriere begann bereits mit einem Wagnis, das nicht alle verstanden: Als 31-Jähriger, der seine Erfahrung bis dahin nur als Jugendcoach gesammelt hatte, entschloss er sich für den Abstiegskampf mit Erzgebirge Aue. Der durchaus überraschende Klassenverbleib in der zweiten Liga war seine Empfehlung für den Job beim FC Schalke 04.

Seine Zeit dort endete mit einem 0:7 bei Manchester City in der Champions League und auf Tabellenplatz 14 in der Liga, er sei "verbrannt" worden, so formulierte es sein interimsmäßiger Nachfolger Huub Stevens. Inzwischen hat Schalke unter David Wagner wieder Erfolg. Dennoch ging Tedesco nicht im Unfrieden, er bedankte sich gar in einer schriftlichen Stellungnahme für den fairen Umgang mit ihm. Und er konnte sich wohl schon im Frühjahr vorstellen, dass ihn sein nächster Job ins Ausland führen könnte. Jedenfalls soll er Anfragen aus Deutschland abgelehnt haben, etwa angeblich eine vom VfB Stuttgart.

Spartak ist von allen Moskauer Klubs der populärste, und Tedesco ist trotz der auf Schalke als etwas systemverhaftet interpretierten Spielweise seiner Mannschaft durchaus ein Fußballromantiker. Er war vor einer Woche bereits für drei Tage in Moskau, besuchte den Roten Platz, sah im Fernsehen die 1:2-Auswärtsniederlage seiner neuen Mannschaft in Krasnodar, sah in den Sportzeitungen die seitenlange Berichterstattung über Spartak. Dann traf er seine Entscheidung.

Als seinen Assistenten bringt er den früheren Nationalspieler Andreas Hinkel mit nach Moskau, der zuletzt die U23 in Stuttgart trainierte, beide arbeiteten schon vor Jahren als Trainer der U17 des VfB zusammen. Torwarttrainer wird Max Urwantschky, den er aus seiner Zeit bei Erzgebirge Aue kennt. Vor der Einigung mit Spartak musste Tedesco noch seinen Vertrag bei Schalke 04 auflösen. Als er am Montagabend in der Pressekonferenz in Moskau saß, sprach er auch über Schalke, über leidenschaftliche Fans und große Tradition, das sei bei Spartak ähnlich. Er sprach auch über seine Taktik, die er an die Mannschaft anpassen werde. Die russische Liga sei für ihn mit der französischen die fünftstärkste der Welt. Ein Dolmetscher übersetzte seine Antworten. Tedesco hat zwar schon vorsichtig versucht, das kyrillische Alphabet zu lernen. Aber es ist ziemlich kompliziert.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2019
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