Süddeutsche Zeitung

SV Werder Bremen:Zu billig, zu spät

Lesezeit: 3 min

Angreifer Milot Rashica verlässt den SV Werder Bremen. An seiner Personalie zeigt sich, was beim abgestiegenen Traditionsklub zuletzt alles falsch gelaufen ist.

Von Thomas Hürner, Bremen

Es war zwar keine Odyssee, die am Dienstag zu Ende ging, aber ihre Erleichterung konnten und wollten die Beteiligten dann doch nicht verhehlen. Zu lange hat dieses Geschäft auf sich warten lassen, bitter notwendig war es für die leeren Kassen des Klubs, zu weit schienen sich die Parteien in letzter Zeit auseinander gelebt zu haben. Aus Sicht des SV Werder kam der Vollzug dieses Transfers gerade noch rechtzeitig - und im Grunde doch viel zu spät: Angreifer Milot Rashica, 24, wechselt nach England zum Premier League-Aufsteiger Norwich City, nach dreieinhalb unsteten Jahren in Bremen.

An kaum einer Personalie lässt sich besser erklären, was in den vergangenen Jahren alles schiefgelaufen ist an der Weser. Rashica galt als der wohl talentierteste Fußballer im Kader des SV Werder, in ihm vereinen sich Wucht, Dynamik und exponierte Fertigkeiten mit dem Ball. Ein Fixpunkt der Mannschaft sollte er werden, ein Hoffnungsträger fürs ambitionierte Umfeld, in dem zwischenzeitlich wieder vom Europokal geträumt worden war. Und dann, so der Plan des Sport-Geschäftsführers Frank Baumann, sollte der Kosovare zu Geld gemacht werden, wie das im Branchenjargon genannt wird: zu richtig viel Geld.

"Eine so gute Ablöse ist in diesen Zeiten nicht selbstverständlich", sagt Werder-Sportchef Baumann

Aus all diesen hochtrabenden Wünschen wurde bekanntlich nichts. Statt magischen Nächten im Europacup steht den Bremen in der kommenden Saison knallharter Zweitliga-Alltag bevor, der Abstieg und die Pandemie haben eklatante Löcher ins ohnehin schon klamme Budget gerissen. Auch deshalb zeigte sich Baumann am Dienstag "sehr glücklich und zufrieden, dass es geklappt hat - auch für Milot", wie er dem Internetportal Deichstube sagte: "Es ist nicht selbstverständlich, in diesen Zeiten eine so gute Ablösesumme zu bekommen."

Dem Vernehmen nach erhält Werder elf Millionen Euro, die zuzüglich Bonuszahlungen auf 13 Millionen Euro anwachsen können. Das klingt tatsächlich erst einmal nach einem stolzen Betrag, zumal die Bremer zuletzt unter Handlungsdruck gestanden waren und bis Ende des Monats Transfererlöse in einer ähnlichen Größenordnung erwirtschaften mussten, damit die Verluste im noch laufenden Geschäftsjahr einigermaßen im Rahmen bleiben. Dieses Ziel wurde offenkundig erreicht, allerdings relativiert sich die von Baumann verkündete Erfolgsmeldung schnell, wenn man einen Blick auf die Monetarisierungschancen wirft, die in den vergangen beiden Jahren verpasst wurden.

Rashica war überzeugend in seine Expedition an der Weser gestartet, in seinen ersten beiden kompletten Saisons wurde er zur schöpferischen Kraft des Teams und steuerte insgesamt 17 Tore und zwölf Vorlagen bei. Das war zwar noch keine wirklich imposante Ausbeute, zeugte aber von seinem Potenzial, das in der Branche mit Wohlgefallen registriert wurde. Schon bald meldeten sich die ersten Interessenten bei Baumann, ein Angebot des englischen Erstligisten Aston Villa über 30 Millionen Euro gilt als glaubwürdig überliefert.

Eine Marge für Fehler existiert nicht mehr in Bremen

Baumann jedoch lehnte ab und spekulierte auf höhere Erlöse, was sich schließlich als kapitale Fehleinschätzung erweisen sollte, weil Rashicas Leistungskurve, auch aufgrund von Verletzungen, inzwischen schon über einen längeren Zeitraum ähnlich nach unten zeigt wie die der gesamten Bremer Mannschaft.

Diese Entwicklung überraschte nur bedingt, da Rashica schon länger keinen Hehl mehr aus seinem Wechselwunsch gemacht hatte. Trotzdem wurden noch vor und während der vergangenen Saison Offerten von RB Leipzig und Bayer Leverkusen für unzureichend befunden, weil man in Bremen den Glauben nicht aufgeben wollte, dass es sich bei den Formschwächen des Spielers und des Teams nur um Abweichungen von der Norm gehandelt haben muss - am Ende standen dann der Abstieg und vergleichsweise mickrige Einnahmen, die nur unwesentlich über den sieben Millionen Euro liegen, die der Klub einst bei der Verpflichtung Rashicas an Vitesse Arnheim entrichtet hatte.

"Das ist ein wichtiger Baustein für uns auf dem Weg zur wirtschaftlichen Konsolidierung, wir müssen aber noch weitere Transferüberschüsse erzielen", sagte Baumann noch über das Geschäft, das auch aus Sicht des Spielers, der Fans und der Bilanzbuchhalter des Klubs viel zu spät zustande gekommen ist. Bei den anstehenden Entscheidungen muss der viel kritisierte Sportchef jedenfalls mehr Weitsicht und Kreativität beweisen als zuletzt, eine Marge für Fehler existiert nicht mehr. Inzwischen ist kein Spieler mehr unverkäuflich in Bremen, es gilt als wahrscheinlich, dass der Kader auch nach dem Zweitliga Saisonstart Ende Juli noch gehörig umgebaut werden muss. Vorsichtshalber hat auch Markus Anfang, der vor drei Wochen als neuer Werder-Coach präsentiert wurde, die Erwartungen ein wenig eingedämmt. Sein Leitspruch lautet: "Wiederaufbau vor Wiederaufstieg."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5330904
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.