Süddeutsche Zeitung

Supercup:Der Bayern-Gaul springt wieder

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Beim Supercup nimmt der FC Bayern die erste Hürde der Saison zentimetergenau. Der Trainer gewinnt so ein bisschen Zeit - und der Verein stärkt den eigenen Mythos.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Vom Schützen aus gesehen in die linke Ecke, halbhoch - mit so einem Elfmeter kann man viel verlieren. Mit so einem Elfmeter, links, halbhoch, kann man aber auch viel gewinnen. Vorausgesetzt, der Gegner schießt ihn. Denn an jenen Schützen, die dorthin zielen, hat ein Torwart seine Freude. In die Ecke springt er am liebsten. Alle drei Versuche, die im Supercup-Shootout missrieten, wurden links, halbhoch verschossen, vom Münchner Kimmich, von den Dortmundern Rode und Bartra. Die coolen Elfmeter hingegen wurden à la Ribéry (links, oben) oder à la Dembélé (rechts, unten) verwandelt. Geht es bei solchen Scharfschützen schief, blamieren sie sich, trotzdem gilt: Hoch oben, flach unten - nur niemals halbhoch! Das ist die alte Grundregel beim Elfmeter.

Nun haben jene, die Samstagabend in Dortmund trafen oder fehlten, wieder ein Dreivierteljahr Zeit zum Üben. Denn Elfmeterschießen gibt es zwar auch im deutschen Pokal, aber auf der internationalen Ebene, auf der sich beide Vereine definieren, wird frühestens im März 2018, im Achtelfinale der Champions League, wieder scharf geschossen.

Dadurch, dass dieser Supercup in der dramaturgischen Zuspitzung eines Shootouts endete, dass er zwar kein fehlerfreies Kombinations-Festival, aber doch beste, kernige Unterhaltung bot, haben nicht nur die siegreichen Bayern, sondern auch die Verlierer einiges gewinnen können. Zunächst ein bisschen Ruhe, um nach holpriger Vorbereitung die bereits atmosphärisch gereizte Kundschaft zu beruhigen. Dann ein bisschen Zeit, damit beide Trainer entwickeln und präsentieren können, was sie so vorhaben. Der eine, Peter Bosz, 53, will die niederländische Schule des "Football total", des Spektakel-Fußballs, zum BVB exportieren. Er sieht sich dort offenbar - besonders, was die Absicherung nach hinten betrifft - bislang nicht von allen verstanden. Der andere, Carlo Ancelotti, 58, hat auch im zweiten Jahr in München noch ein Vermittlungsproblem; nach der experimentellen Pep-Guardiola-Phase wird sein sehr italienischer, pragmatischer Ansatz nicht von allen goutiert.

Gefügt hatte sich Ancelotti in den Wunsch seiner expandierenden Firma, im Juli eine zwölftägige Asien-Reise zu unternehmen, die man nicht so leicht aus den Knochen schüttelt. Er hat diese Tournee jedoch nicht als Alibi benutzt. Sondern Niederlage auf Niederlage ertragen in der Gewissheit des gestählten Routiniers, der weiß, dass Testspiel-Pleiten außer einer PR-Panne wenig bedeuten.

Nun jedoch dürfte sich Ancelotti, der Bauernsohn aus der Emilia Romagna, wieder an jene im ländlichen Raum entwickelte Weisheit erinnert fühlen, wonach ein guter Gaul nicht höher springt, als er muss. Dass der Münchner Gaul die erste Hürde trotz allen Sommertheaters genommen hat, und das zentimetergenau, auch das wird - zunächst mal in der Bundesliga - den Mythos stärken, dass diese Bayern die Dinge immer wieder so hinbiegen, wie sie es gerade brauchen.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2017
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