Süddeutsche Zeitung

Studie zur Leichtathletik:29 Prozent der WM-Starter von 2011 gestehen Doping

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Eine brisante Studie deckt eine hohe Dunkelziffer gedopter Sportler auf. 29 Prozent der Leichtathleten, die bei der WM 2011 starteten, geben zu, davor gedopt zu haben. Doch nur knapp zwei Prozent der Dopingtests waren positiv.

Die Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" hat für viel Diskussionsstoff gesorgt. Erst dadurch wurde bekannt, wie systematisch in der Bundesrepublik gedopt wurde. Nun ist eine neue Studie erschienen, die zumindest die Leichtathletik beunruhigen dürfte.

Die New York Times berichtete am Freitag über eine von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Auftrag gegebenen Studie. Darin heißt es: Vor den Weltmeisterschaften 2011 haben rund 29 Prozent der in Daegu/Südkorea gestarteten Leichtathleten zugegeben, in den zwölf Monaten davor gedopt zu haben. Allerdings gibt es eine Kontroverse um den Wahrheitsgehalt und zur wissenschaftlichen Fundiertheit der Studie - sowie den Vorwurf der Vertuschung.

Mehr als 2000 Leichtathleten waren für die Studie von einem Forscherteam vor der WM anonym befragt worden. Danach gaben sogar 45 Prozent zu, ein Jahr vor den ebenfalls 2011 ausgetragenen Panarabischen Spielen Dopingmittel genommen zu haben. In der Doping-Kontrollstatistik der Wada für 2010 wird dagegen ausgewiesen, dass nur knapp zwei Prozent der weltweiten Tests positiv gewesen sind.

Bisher sind die Ergebnisse der Studie nicht veröffentlicht worden. Der deutsche Anti-Doping-Experte Perikles Simon, Mitglied des Forscherteams, hatte bereits im Juli im ZDF-Sportstudio kritisiert, dass die Resultate dieser Erhebung "unter Verschluss" gehalten werden. Die Wada teilte dazu mit, der Leichtathletik-Weltverband IAAF brauche Zeit, um die Studie zu begutachten.

IAAF-Sprecher Nick Davies erklärte auf eine E-Mail-Anfrage der New York Times, dass die Studie "nicht vollständig für eine Veröffentlichung" gedacht gewesen und es nur "ein sozialwissenschaftliches Protokoll, eine Art Meinungsäußerung von Athleten" sei. Davies betonte zudem, dass die bei der am Sonntag in Moskau zu Ende gegangenen WM von allen Startern genommenen Blutproben, kombiniert mit bisherigen Forschungsresultaten, eine umfassendere Studie ermöglichen würde.

"Das ist in der Tat richtig, mit langfristigen Blutproben kommen stabilere Resultate raus", sagte das deutsche IAAF-Councilmitglied Helmut Digel der Nachrichtenagentur dpa. Der Tübinger Sozialwissenschaftler hält grundsätzlich nichts von Umfrageresultaten, die auf schriftlicher Befragung basieren. Deshalb halte er die Diskussion um die Studie für "peinlich und geistlos", weil man mit solchen Fragen keine "konkrete Realität" erreichen könne. "Das Doping-Problem wird immer größer, und wir müssen mehr denn je versuchen, in die Grauzonen vorzudringen", sagte Digel. Dazu brauche es richtige Maßnahmen wie ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland.

Wie die US-Zeitung berichtete, hatte die Wada im Januar 2013 die Zustimmung gegeben, die Doping-Studie beim Wissenschaftsjournal Science zur Publikation einzureichen. Eine Veröffentlichung wurde von dem Magazin wegen des behandelten Themas abgelehnt. Nach dieser Zurückweisung erklärte sich die Wada zunächst bereit, die Suche nach einer anderen Publikationsmöglichkeit zu unterstützen.

Im März 2013 teilte die Agentur den Forschern jedoch mit, die Studie nicht veröffentlichen zu wollen, bevor sie von der IAAF geprüft worden sei. "Es gibt einen psychologischen Aspekt: Niemand möchte irgendjemanden überführen", sagte der frühere Wada-Präsident Richard Pound der New York Times. Es gebe dafür keinen Anreiz. "Den Ländern ist es peinlich, wenn einer ihrer Bürger überführt wird. Und den Verbänden ist es peinlich, wenn ein Athlet ihrer Sportart erwischt wird."

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