Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Geld für alle

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Das BMI schwenkt auf die Linie des Sports um: Die sogenannte Potas-Wertung hat für schwache Disziplinen nun doch weniger Folgen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

36 Zeilen umfasste die Tabelle, die den deutschen Curlern gar nicht gefallen konnte. Denn gleich in den drei letzten Zeilen fand sich ihre Sportart wieder: erst Curling Frauen, dann Curling Männer, dann Curling Mixed. Die sogenannte Potas-Kommission, ein Kernstück für die Reform des Spitzensports, hatte alle Wintersport-Disziplinen evaluiert und im August ein Ranking präsentiert. Dort die letzten Plätze zu belegen, bedeutete gemäß Reformkonzept, ins sogenannte Cluster III zu rutschen; und ins Cluster III zu rutschen, bedeutete zugleich, dass die Curler fortan eine drastische Reduzierung ihrer Fördermittel befürchten mussten.

In diesen Tagen nun verschickte das Bundesinnenministerium (BMI) an alle Spitzenverbände die Förderbescheide fürs Jahr 2019. Und die deutschen Curler sind noch einmal glimpflich davongekommen, ebenso wie die deutschen Shorttracker und die anderen Disziplinen, die im Cluster III gelandet waren: Es gibt für sie zwar keine Aufschläge, aber es gibt auch keine gravierende Mittelkürzung. Und dies mag zwar für die einzelnen betroffenen Verbände erfreulich sein. Aber zugleich zeigt sich damit erneut, dass das BMI unter seiner neuen Führung in einem wichtigen Punkt die Reform korrigiert und stärker auf die Linie des organisierten Sports einschwenkt.

Um die Bedeutung von Potas gab es von Anfang an Debatten; der Sport versuchte stets, die Bedeutung zu relativieren. Der Auftrag gemäß Konzept ist es aber, alle Disziplinen auf das Medaillenpotenzial zu untersuchen und als Grundlage für die weiteren Schritte in eines von drei sogenannten Clustern einzuteilen. Sportarten mit hohen Medaillenchancen landen in Cluster eins und sollen viele Fördermittel bekommen, Sportarten ohne Medaillenchancen landen in Cluster drei und sollen quasi keine Förderung mehr erhalten. In der Rangliste der Winter-Disziplinen kamen etwa die Rodler in Cluster eins, Biathleten und Langläufer in Cluster zwei und eben die Curler in Cluster drei. Bei den Förderbescheiden zeigt sich nun, dass diejenigen, die bei Potas vorne lagen, einen höheren Aufschlag bekommen als die aus dem Mittelfeld, und die Schlusslichter erhalten gar keinen. Aber es muss eben auch keiner Abstriche machen.

Das BMI begründet dies mit einem Verweis auf den großen Mittelzuwachs für den deutschen Spitzensport. Insgesamt 235 Millionen Euro beträgt der Etat künftig. Dadurch sei der Bund "in die positive Lage versetzt worden, nicht nur den jeweils notwendigen Bedarf der Verbände in Cluster eins und auch Cluster zwei zu berücksichtigen, sondern auch den aus 2018 festgesetzten Förderbedarf im Status quo für die Verbände im Cluster drei fortzusetzen", teilt das Ministerium mit. Die Verbände aus dem dritten Cluster unterlägen aber "einem besonderen Monitoring und müssen über den Mitteleinsatz und die davon zu erwartenden Ergebnisse und Wirkungen regelmäßig berichten". Nur bei erfolgversprechender Entwicklung könnten die Haushaltsmittel auch in den kommenden Jahren bewilligt werden.

Nun gibt es diverse Argumente dafür, breit zu fördern und auch Disziplinen ohne angebliches Medaillenpotenzial wie gewohnt zu unterstützen. Doch bemerkenswert ist, dass dies ursprünglich einmal anders verabredet worden war - und wie das Ministerium insgesamt mit der Reform umgeht. Denn es ist schon die dritte Korrektur, seitdem im Ministerium Thomas de Maizière (CDU) als Chef von Horst Seehofer (CSU) abgelöst worden ist und Gerhard Böhm als Chef der zuständigen Sport- Abteilung von Beate Lohmann.

Zunächst verfügte Seehofer, die verabredete Schließung von Bundesstützpunkten zu stoppen; ursprünglich sollte deren Zahl von 204 um bis zu 20 Prozent sinken, doch das führte zu erheblichen Hakeleien. Dann beschloss die Abteilung, nach dem ersten Potas-Durchgang bei den Winterverbänden die gefürchtete Clusterung zu streichen. Stattdessen gibt es für den Sommersport nun nur noch eine einfache Rangliste, was den Beteiligten einen flexibleren Umgang ermöglicht. Und nun zeigt sich, dass eine schlechte Potas-Bewertung gar nicht so schlimme Konsequenzen hat.

Diese Entwicklung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant, wie es überhaupt zur Reform kam. Das Ministerium hatte vor einigen Jahren nach einer heftigen Kritik des Rechnungshofs begonnen, auf gravierende Veränderungen in der Sportförderung zu dringen. So sollte mehr Transparenz und Objektivität in die Verteilung der Bundesmittel kommen. Der Sport stimmte dem zähneknirschend zu - weil er sich eine generelle Erhöhung der Mittel versprach. Dies geschah auch, auf 235 Millionen Euro. Doch wenn nun peu à peu die Bedingungen korrigiert werden, ist die Frage, warum es überhaupt soviel Aufwand brauchte.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2019
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