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WM-Finale:Spaniens Fußballchef küsst Spielerin bei Siegerehrung auf den Mund

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"Hat mir nicht gefallen", kommentiert Jenni Hermoso den Vorfall zunächst. Später verschickt der Verband eine relativierende Stellungnahme der Spielerin. Die Geste dürfe "nicht so sehr überbewertet werden".

Ein Kuss nach dem gewonnenen WM-Finale sorgt für Wirbel: Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales herzte und umarmte die spanischen Spielerinnen bei der Siegerehrung am Sonntag - und küsst Fußballerin Jenni Hermoso auf den Mund. Die Szene nach dem 1:0-Sieg gegen England in Sydney wurde auf Video festgehalten.

"Hat mir nicht gefallen", sagte die 33 Jahre alte Offensivspielerin in einem Instagram-Livestream kurz nach dem Spiel - in den sozialen Medien äußerten viele Nutzer deutliche Kritik an Rubiales. Später schickte der spanische Verband RFEF eine Stellungnahme an einige Medien, in der Hermoso die kritischen Kommentare zurückweist. "Es war eine völlig spontane gegenseitige Geste aufgrund der immensen Freude, die der Gewinn einer Weltmeisterschaft mit sich bringt", wird Hermoso in der Mitteilung zitiert, die unter anderem der Nachrichtenagentur AFP übermittelt wurde: "Der Präsident und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, sein Verhalten uns gegenüber war hervorragend, und es war eine natürliche Geste der Zuneigung und Dankbarkeit." Diese dürfe "nicht so sehr überbewertet werden".

Der Vorfall beschäftigte auch die spanische Politik. Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero meldete sich bei X, vormals Twitter, mit einem deutlichen Urteil: "Das ist eine Form der sexuellen Gewalt, die wir Frauen täglich erleiden und die bisher unsichtbar war und die wir nicht normalisieren dürfen." Dies sei eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. "Die Zustimmung steht im Mittelpunkt. Nur ein Ja ist ein Ja", schrieb die Ministerin.

Auch die spanische Ministerin für soziale Rechte, Ione Belarra, schrieb dazu auf X: "Wir alle denken: Wenn sie das vor den Augen ganz Spaniens tun, was werden sie dann nicht auch im Privaten tun? Sexuelle Gewalt gegen Frauen muss ein Ende haben."

In der spanischen Tageszeitung El País heißt es in einem Kommentar: "Wie schade, dass ein so schöner Tag durch diesen schäbigen Machismo, diesen Mangel an Sensibilität getrübt wird."

Rubiales über Kritik: "Es gibt überall Idioten"

Einen Mangel an Sensibilität hatten viele Spielerinnen auch ohne diese Form von übergriffigem Verhalten bereits empfunden: Zwar hat sich die Mannschaft nun den WM-Titel geholt, doch in den Monaten zuvor gab es jede Menge Ärger - vor allem mit Trainer Jorge Vilda. Im vergangenen September hatten 15 Nationalspielerinnen in einem Schreiben ihren vorläufigen Rücktritt aus der spanischen Auswahl erklärt. Der Verband stellte sich aber vor Vilda. Dass die Atmosphäre zwischen ihm und dem Team angespannt blieb, war auch während der WM zu beobachten.

Angesprochen auf sein Verhalten sagte Verbandschef Rubiales in einem Interview mit Radio Marca am Sonntagabend: "Der Kuss mit Jenni? Es gibt überall Idioten. Wenn zwei Menschen einen Moment der Zuneigung ohne weitere Bedeutung haben, sollte man nicht auf Idioten hören. Wir sind die Sieger und dazu stehe ich."

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