Süddeutsche Zeitung

Snooker-Weltmeister:Selby will zu Leicester in die Kabine

Lesezeit: 3 min

Seinen zweiten Snooker-Weltmeistertitel will Mark Selby mit den Fußballern seiner Heimatstadt feiern - die kennt er bereits gut.

Von Carsten Eberts, Sheffield/München

Ein Modefan? Nein, das ist Mark Selby sicher nicht. Er findet Leicester City nicht plötzlich toll, weil der kleine Klub gerade die englische Fußball-Meisterschaft gewonnen hat. Selby, der aktuell beste Snooker-Spieler der Welt, wurde 1983 in der Arbeitersiedlung New Parks in Leicester geboren. Er war schon Fan, als Leicester sich noch in den Tiefen des unterklassigen Fußballs verirrt hatte.

Als der LCFC vor zwei Jahren den Aufstieg in die erste Liga feierte, fuhr Selby mit den Fußballern in einem Bus mit geöffnetem Dach durch die Straßen der Stadt. Seitdem gilt er als prominentes Maskottchen des Teams. Auch Selby hatte damals etwas zu feiern, er war gerade zum ersten Mal Snooker-Weltmeister geworden.

Nun hat "The Jester from Leicester", wie er in Snooker-Kreisen genannt wird, seinen zweiten Titel nachgelegt, am Montagabend in Sheffield mit einem 18:14 gegen den Chinesen Ding Junhui. Und es passte natürlich zu gut, dass nur elf Minuten nachdem die Nachricht vom vorzeitigen Meisterschaftsgewinn der Fußballer über die Nachrichtenticker gelaufen war, auch Selby seinen Finalsieg perfekt machte.

Komplettester Spieler der Profi-Tour

Der 32-Jährige wirkte fast erschrocken über diese Duplizität, raunte ehrfürchtig, dies sei "ein fantastischer Tag für unsere Stadt". Dann hüllte er sich für die Fotografen in ein blau-weißes Banner seines geliebten Klubs. Selby sagte, er wisse gar nicht, "was nun der größere Schock" für ihn sei: dass die Fußballer die Premier League gewinnen. Oder dass er, Selby, nun Doppel-Weltmeister ist.

Dabei muss Selbys Titel als das eindeutig planbarere Ereignis gelten. Selby gehört zweifellos zu den Größten des auf der britischen Insel ungemein populären, früheren Kneipensports; seit vielen Monaten führt er die Weltrangliste an. Der 32-Jährige gilt als komplettester Spieler der Profi-Tour. Als begnadeter Taktiker und Defensivkünstler betreibt er seinen Sport nicht so spektakulär offensiv wie etwa Ronnie O'Sullivan oder Judd Trump, was ihn die Zuneigung vieler Zuschauer meist etwas kostet - was es aber noch schwerer macht, ihn zu besiegen. "Selby ist aus Granit", lobte ihn der Ex-Weltmeister John Parrott am Montagabend.

Das bekam Ding Junhui zu spüren, der überaus talentierte Chinese, der sich in den zwei Wochen im Crucible Theatre durch die Qualifikation furios bis in sein erstes WM-Finale gespielt hatte. Viel furioser als Selby, der weit entfernt von seiner Bestform nach Sheffield gekommen war, schon in den ersten Runden hart kämpfen musste, kurz vor dem Aus stand. Weil offensiv wenig klappte, habe er sich auf sein "B-Spiel" verlassen müssen, erklärte Selby, auf das sichere Ablegen des weißen Spielballs, so dass der Gegner nichts mit ihm anzufangen weiß.

In dieser Disziplin macht Selby so leicht niemand etwas vor, hier zermürbt er seine Gegner, nicht umsonst wird er "The Torturer" genannt, der Folterknecht. "Ich habe in den zwei Wochen eigentlich nur zwei gute Sessions gespielt", entschuldigte sich Selby.

Vorentscheidung im 31. Frame

Doch das genügte, denn eine davon war sicherlich die erste gegen Ding, als Selby am Sonntagmittag rasant 6:0 in Führung ging. Ding gelang gar nichts in dieser Zeit, Selby nutzte dessen Fehler, stellte mit hohen Breaks auf die vorerst beruhigende Führung. Von diesem Vorsprung zehrte er, als Ding in der zweiten und dritten Session stärker wurde, der Chinese holte auf, hatte den Favoriten beim 9:10 fast eingeholt, ehe Selby doch wieder zulegte. Die Vorentscheidung fiel im 31. Frame, der mehr als 50 Minuten dauerte, beim Stand von 16:14, als Selby lange "safe" spielte, auf Sicherheit. Dann knallten plötzlich einige besonders schwierige Bälle in die Tischtaschen. Eine Serie von 74 Punkten im letzten Frame stellte seinen zweiten WM-Titel sicher.

Und nun? Selby will erneut mit den Fußballern feiern, doch mit einer Bus-Tour wird er sich diesmal nicht begnügen. Am Samstag bekommt Leicester City beim Ligaspiel gegen Everton den Meisterpokal überreicht, "ich weiß nicht, ob mich die Jungs in die Kabine lassen", unkte Selby. Die Fußballer werden ihr weltmeisterliches Maskottchen wohl kaum vor der Tür versauern lassen.

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SZ vom 04.05.2016
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