Süddeutsche Zeitung

Skicross: Heidi Zacher im Gespräch:"Wenn es einen schmeißt, fliegt der eh aus der Strecke"

Lesezeit: 4 min

Heidi Zacher, die beste deutsche Skicross-Frau, über die Gefährlichkeit ihrer Sportart, das überraschend starke DSV-Team und den ersten Heim-Weltcup in Grasgehren.

Carsten Eberts

Dass Skicross eine spektakuläre Sportart ist, weiß die Welt seit den Winterspielen von Vancouver. Dass deutsche Fahrer jedoch regelmäßig um Siege mitfahren können, ist neu. Heidi Zacher, 22, ist das erfolgreichste Gesicht der deutschen Frauen, führte zeitweise sogar den Weltcup an, soll zu einer Botschafterin ihrer jungen Sportart aufgebaut werden. Das wichtigste Wochenende des Jahres steht deshalb kurz bevor: Am Samstag trifft sich die Skicross-Elite in Grasgehren - zum ersten Weltcup auf deutschem Boden überhaupt.

sueddeutsche.de: Frau Zacher, Skicross war die große Entdeckung der Winterspiele von Vancouver. Am Samstag findet in Grasgehren der erste Weltcup auf deutschem Boden statt. Die Frage muss erlaubt sein: Warum erst jetzt?

Zacher: Vor Vancouver war das Interesse einfach nicht da. Bevor Skicross im Fernsehen zu sehen war, konnten die Leute mit der Sportart überhaupt nichts anfangen. Das hätte wenig Sinn gemacht.

sueddeutsche.de: Ihren Sport gibt es aber seit rund zehn Jahren. Wurde da nicht die Entwicklung etwas verpennt?

Zacher: Das glaube ich nicht. Wegen Olympia war ein eigener Weltcup kurzfristig schon für die vergangene Saison angedacht, aber das wäre wohl zu früh gekommen. Auch unser Verband musste sich erst langsam professionalisieren, so wie auch die Athleten. Ich denke, es war gut, die Entwicklung langsam angehen zu lassen.

sueddeutsche.de: Pünktlich zur Heim-Premiere sind die deutschen Skicrosser gut wie nie zuvor. Sie selbst haben im Januar einen Weltcupsieg geholt, bei den Männern Daniel Bohnacker. Was ist da los?

Zacher: Wir ziehen uns gerade gegenseitig nach oben. Wenn es beim einen gut läuft, denken sich die anderen: Das können wir auch. In St. Johann habe ich meinen ersten Sieg geholt, Daniel kurz darauf in Alpe d'Huez. Wenn es läuft, dann läuft es einfach (lacht).

sueddeutsche.de: Aber warum so plötzlich? Bislang galten Kanada oder Frankreich als Skicross-Nationen schlechthin. Vor einem Jahr sagte ihr Bundestrainer Alexander Böhme, es werde noch Jahre dauern, um diesen Rückstand aufzuholen.

Zacher: Wir haben eine verdammt junge Mannschaft. Die anderen Nationen haben für Olympia auf ihre älteren Athleten gesetzt. Bei uns waren viele erst seit kurzem dabei. Beim Skicross kommt es stark auf die Erfahrung an, die hatten wir noch nicht. In den Heats (Ausscheidungsrennen, d. Red.) müssen wir kurzfristig entscheiden, ob man überholen kann oder nicht. Das sind Reflexe, die sich erst mit der Zeit entwickeln.

suedeutsche.de: Wie ist das bei Ihnen? Warum fahren Sie so gut?

Zacher: Bei mir hat das viel mit der Gesundheit zu tun. Ich hatte die ganze vergangene Saison über Rückenschmerzen, habe das aber trotzdem durchgezogen, weil Olympia ein großer Traum von mir war. Da habe ich mich mit Schmerzen durchgequält.

sueddeutsche.de: Nun sagen Sie, Sie können mit allen mithalten, auch mit den starken Fahrerinnen aus Frankreich und Kanada. Wann hatten Sie dieses Gefühl zum ersten Mal?

Zacher: Schon im Dezember, beim ersten Saisonrennen in Innichen. Bei den Frauen wurde vor der Saison beschlossen, dass nur noch 16 statt 32 Fahrerinnen in die Heats kommen. Da dachte ich schon: Ojee. Letztes Jahr war ich schließlich kein einziges Mal unter den besten 16. In Innichen war ich dann jedoch sofort Elfte, bin am nächsten Tag ins Finale gefahren.

sueddeutsche.de: Und am Tag darauf gleich nochmal.

Zacher: Da war ich total überrascht. Einmal Finale kann Zufall sein. Aber gleich doppelt?

sueddeutsche.de: Sie kommen ursprünglich vom Ski alpin. Warum sind Sie gewechselt?

Zacher: Ich hatte mir 2007 im Europacup das Kreuzband gerissen. Da dachte ich: Ich höre mit dem ganzen Kram auf.

sueddeutsche.de: Dabei waren Sie richtig gut, im Riesenslalom zeitweise sogar schneller als Susanne Riesch. Hat Ihnen die Wertschätzung gefehlt?

Zacher: Das war sicherlich auch ein Grund. Vor allem, weil ich wusste, dass ich mindestens ein bis zwei Jahre brauche, um wieder an das Niveau, das ich vor meiner Verletzung hatte, anzuschließen.

sueddeutsche.de: Weshalb dann Skicross?

Zacher: Das ging alles sehr schnell. Bis zu meiner Verletzung hatte ich einfach keine Zeit diese Disziplin auszuprobieren. Im Hinterkopf hatte ich aber immer den Gedanken, dass ich auch zum Skicross wechseln könnte. Einzig, es fehlte die Gelegenheit es auszuprobierent. Die Skicrosser haben mich dann aber bestärkt, einfach mal mitzufahren - und so war ich schneller dabei, als ich mich wehren konnte. Das war nicht meine schlechteste Entscheidung.

sueddeutsche.de: Aber ausgerechnet Skicross? Mit einem kaputten Knie?

Zacher: Ich hatte mir viel Zeit zur Reha gelassen und am Ende wieder volles Vertrauen in mein Knie. Im Alpinen Skirennsport hatte ich wie viele andere Kreuzbandverletzte das Problem, dass ich mich bei schlechter Sicht nicht getraut habe, am Limit zu fahren. Das war im Skicross weniger ausschlaggebend. Denn durch die Wellen, Steilkurven, Sprünge und häufigen Richtungswechsel wird man mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert, auf die man sich konzentrieren muss.

sueddeutsche.de: Dafür fahren Sie zu viert gegeneinander, häufig mit vollem Körperkontakt. Unfälle kommen bei jedem Rennen vor.

Zacher: Aber wir sind Profis. Jeder ist so realistisch zu wissen, ob eine Lücke groß genug ist oder nicht. Ob es sich lohnt, mit voller Geschwindigkeit hineinzufahren. Das hat mit Rücksicht nichts zu tun. Und wenn es einen schmeißt, fliegt der eh aus der Strecke raus und gefährdet nicht die anderen. Von daher ist Skicross nicht unbedingt gefährlicher als Abfahrt. Die Anzahl der Verletzungen ist vielleicht höher, aber dafür sind bei uns nicht gleich die Knie ganz kaputt.

sueddeutsche.de: Der Skiverband baut Sie gerade als Gesicht der Skicross-Frauen auf. Eine, die Werbung für ihren Sport machen soll. Empfinden Sie das als Druck?

Zacher: Ach was. Ich habe mein Saisonziel mit dem Sieg in St. Johann bereits übertroffen. Wer im Skicross sagt, er will unbedingt gewinnen, der hat es sowieso schwer. Wer verkrampft, hat keine Chance. Direkt nach meinem Sieg war es ruhig, weil wir gleich weiter nach Frankreich gereist sind. Zurück in Deutschland ging es dann rund, ich war im Fernsehen, verschiedene Zeitungen haben angefragt. Aber das macht ja auch Spaß.

sueddeutsche.de: Heidi Zacher, die neue Botschafterin ihrer Sportart?

Zacher: Wir alle sehen uns als Botschafter. Jeder Skicrosser will seine Sportart den Leuten näher bringen. Das gehört bei uns mit dazu. Wir müssen den Leuten vermitteln, wie unsere Sportart funktioniert. Auch am Samstag in Grasgehren.

sueddeutsche.de: Und wenn Sie sofort rausfliegen sollten? Im ersten Lauf? Beim Heim-Weltcup?

Zacher: Dann ist es so. Das ist eben Skicross.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1051638
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.