Süddeutsche Zeitung

Ski alpin:Vonn geht in die Falle

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Knuth

Lindsey Vonn zuckte mit den Schultern, nein, sie mochte sich noch nicht anfreunden mit diesem dritten Platz am Sonntag, beim Super-G in La Thuile/Italien. Vonn hatte sich zuvor am Samstag in der Abfahrt als Zweite eingereiht, am Freitag, bei der ersten Abfahrt, war sie gestürzt. "Ich bin ein Wettkampftyp", so hatte die 31-Jährige ihren Arbeitsethos neulich beschrieben, frei übersetzt: Immer die Beste sein, und zweite oder dritte Plätze sind mit dieser Haltung nur bedingt kompatibel. Es dauerte also eine Weile, ehe Vonn am Sonntag eine entspanntere Beziehung zu ihrem Wochenende im Aostatal aufbaute: "Der dritte Platz ist in Ordnung. Es war ein schönes Wochenende", sagte sie, "trotz allem."

Vonns Wochenende hatte ja mit einem Unfall begonnen, dessen Aufräumarbeiten sich bis in den Sonntag streckten. Am Freitag hatte sie im Steilhang mit der Schwerkraft gekämpft, ihr Außenski, auf den die Skirennfahrer die größte Kraft ausüben sollten, baumelte unkontrolliert in der Luft. Dann löste er sich aus der Bindung. Vonn stürzte, sie stand bald wieder, das Rennen war ihr aber entglitten. Wie die Führung in der Gesamtwertung.

Die Amerikanerin fühlte sich von der Technik bestohlen, die Bindung, polterte sie, habe den Ski zu früh freigegeben. Am Abend schlug Vonn mit einem Hammer auf die Bindung ein, jemand filmte sie, später schaltete sie das Video für ihre 1,2 Millionen Internet-Anhänger frei, ihrer Vermarktungsbühne. Sie habe bloß ihre Wut nach dem Rennen zeigen wollen, schrieb sie später, "aber ich weiß, dass man das Video falsch interpretieren kann". Falsch interpretieren?

Vonn, das muss man wissen, war eine der ersten Athleten, die früh verstanden, wie man die neuen, digitalen Felder bestellen kann. Olympia-Athleten in den USA sollen ihr Leben aufschlagen wie ein Buch, in dem die Öffentlichkeit blättert: Siege, Niederlagen, Streits, das verkaufen die Sender ans Publikum. Vonn begriff, dass sie diesen Nachrichtenstrom nicht stoppen, aber lenken kann. Sie setzte nachrichtenträchtige Botschaften in sozialen Netzwerken ab, damit bestimmte sie die Agenda, mit wenigen Klicks.

Wobei wenige Klicks den Ruhm eines Sportlers nicht nur mehren können, sie können ihn genauso flink zerkratzen. Vonn beteuerte am Samstag, dass ihre Emotionen sie fehlgeleitet hatten. Sie löschte das Video, das sich längst vervielfältigt und einen Platz bei Youtube gefunden hatte, dem digitalen Video-Museum. Am Samstagmorgen entschuldigte sie sich bei Head , dem Produzenten ihrer Skier ("ein riesiger Fehler").

Skifirmen betreiben großen Aufwand, um ihre Rennfahrer voranzubringen. Sie investieren Millionenbeträge, um das beste Material zu finden; es gibt Computer-Programme, die berechnen, wie schnell der Kleber trocknen sollte, der das Material zusammenhält. Die Fahrer heben nach guten Läufen oft als erstes ihren Ski in die Kameras. Wer gut verhandelt (wie Vonn) und gut fährt (wie Vonn), kann von seinem Ausrüster schon mal eine Million Euro eintreiben, pro Winter. Vonn war 2009 zu Head gewechselt, sie hatte ihre Regentschaft auf der alpinen Tournee mit dem Ausrüster gefestigt - woran sie Rennchef Christian Greber jetzt noch einmal erinnerte. Und: "Die Sicherheits-Bindung hat funktioniert", sagte Greber im österreichischen Fernsehen. Hätte sie den Ski nicht entkoppelt, hätte es Vonn wohl schwer verdreht, mit womöglich schweren Konsequenzen.

Der Vorfall, das spürte man am Sonntag, hatte ein paar Kratzer ins Geschäftsverhältnis gezogen. Auch wenn Head-Vorstand John Eliasch ausrief, dass er keine Strafe veranlassen werde. Sie hätte ihre Wut beim Boxtraining mit ihrem Trainer verrauchen lassen sollen, sagte Vonn noch; damit hätten vermutlich alle Beteiligten leben können (bis auf ihren Trainer).

Beinahe geriet in Vergessenheit, dass Vonn sich am Samstag vorzeitig den Sieg im Abfahrts-Weltcup gesichert hatte, es war ihre 20. Kugel, ein Rekord, der nächste. Vonn hat sich auch wieder an der Spitze der Gesamtwertung geschoben, wenn auch hauchzart vor Lara Gut, die am Sonntag Zweite im Super-G wurde, hinter Siegerin Tina Weirather. Viktoria Rebensburg, die beste Deutsche, schied aus; auch sie hatte am Wochenende so ihre Probleme mit dem Material gehabt, beim Set-up. Von Videos mit Vorschlaghämmern war bis in die Abendstunden aber noch nichts bekannt.

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SZ vom 22.02.2016
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