Süddeutsche Zeitung

Deutsches Alpin-Team:Suche nach dem Siegfahrer

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Stefan Luitz und Alexander Schmid auf den Plätzen 17 und 19, dahinter eine "massive Lücke": Der deutsche Skiverband kämpft in den technischen Disziplinen Slalom und Riesenslalom um den Anschluss an die Weltspitze.

Von Johannes Knuth, Sölden

Unter den drei deutschen Männern, die sich am Wochenende für den Riesenslalom in Sölden eingeschrieben hatten, genoss Julian Rauchfuss ein interessantes Alleinstellungsmerkmal: "Kein Kind, keine Verletzung", sagte er und lachte. Die Kollegen waren im Sommer ja entweder Vater geworden (Stefan Luitz) oder wurden von Malaisen in den Wartestand gezwungen (Alexander Schmid). Und so zeigte sich Rauchfuss, 27, vom RG Burig Mindelheim vor dem Rennen fast noch am zuversichtlichsten: In den zweiten Durchgang wolle er schon vorstoßen, sagte er - ein sportliches Unterfangen, wenn man bedachte, dass zwischen den besten 30 am Sonntag auf der schweren Gletscherrampe schlanke zwei Sekunden lagen. Rauchfuss fuhr dann auch wirklich mutig, ehe er am Ende des Steilhangs aus dem Kurs purzelte. Kein Weltuntergang, aber dass es eine gute Nachricht für den Deutschen Skiverband (DSV) war? Konnte man auch nicht gerade sagen.

Die Hoffnung waren groß gewesen, als Christian Schwaiger vor drei Jahren die Gesamtleitung bei den DSV-Männern übernommen hatte. Der Österreicher ist zweifellos einer der Besten der Branche, wenn es darum geht, die Skitechnik der Athleten zu festigen. Nebenbei hat er sich den Ruf erworben, scheinbar hoffnungslose Fälle fit für die Weltspitze zu machen, die deutschen Abfahrer etwa, die bei der WM zuletzt zwei der vier deutschen Medaillen gewannen. Als Schwaiger zum Chefcoach aufrückte, war ein Schwerpunkt seiner Regierungserklärung, auch die Riesenslalom- und Slalomfahrer wieder in Mannschaftsstärke in die Weltspitze zu bringen nach den Rücktritten von Felix Neureuther, Fritz Dopfer und anderen Stammkräften. Und jetzt, drei Jahre später? Da habe er nicht gedacht, sagte Schwaiger in Sölden, dass die Umbauarbeiten weiterhin so stocken.

Klar, Stefan Luitz und Alexander Schmid, 17. und 19. am Sonntag, hatten sich im Vorwinter immer wieder unter den besten Zehn präsentiert; Linus Straßer hatte nach vielen Rückschlägen sogar seinen ersten Weltcup-Erfolg im Slalom erworben. Dahinter, sagte Schwaiger, klaffe aber weiterhin eine "massive Lücke". Der Unterbau sei gar nicht schlecht besetzt, Rauchfuss beendete die Riesenslalom-Gesamtwertung im Europacup, der zweiten Liga, in der vergangenen Saison als Vierter. Anton Tremmel, 26, wurde sogar Gesamt-Zweiter im Slalom. Aber der Weltcup ist eben noch mal eine andere Welt, Rauchfuss hatte in Sölden seinen 27. Einsatz in der ersten Liga, dort war er bislang einmal in einem zweiten Durchgang vertreten. Andere Nationen sind ihnen da gerade enteilt, die Schweizer, Österreicher, Franzosen sowieso. Wie Pokerspieler überboten sie sich in Sölden im zweiten Lauf mit einem erstaunlicheren Blatt nach dem anderen. Am Ende räumte wieder Marco Odermatt den Hauptpreis ab, die Hochbegabung der Schweizer. Odermatt ist übrigens 24.

Irgendwann wird einer wie Rauchfuss die übernächste Generation inspirieren müssen

Und die jungen Deutschen? Schwaiger atmete tief durch, als er sich in Sölden in das Thema vertiefte. Manchmal, sagte er, würden sich die Athleten den Transfer in den Weltcup wohl etwas schwerer reden, als er sei. Rauchfuss musste sich das am Sonntag nicht nachsagen lassen, sein Auftritt verdeutlichte dafür ein weiteres Problem: Oft nahe dran und oft doch nicht dabei. Hätte er seine couragierte Fahrt ins Ziel überführt, hätte er sich vielleicht gerade so für das Finale qualifiziert, dort als einer der ersten Starter eine bessere Piste vorgefunden, noch mehr Eindrücke, Weltcup-Punkte und Selbstvertrauen gesammelt. Und nun? "Einfach weiter hart arbeiten", sagte Schwaiger, es helfe ja nichts. Er weiß: Irgendwann wird einer wie Rauchfuss die übernächste Generation inspirieren müssen, und dort, sagte Schwaiger, sehe es in manchen Jahrgängen gar nicht rosig aus.

Letztlich, sagte Schwaiger, gehöre zu einer starken Mannschaft im Jetzt auch ein Siegfahrer, und auch dort müssen sie ihre Politik der kleinen Schritte weiterführen. Luitz hatte nach rund 20 Jahren den Ski-Ausrüster gewechselt, weil er noch mal etwas Neues wagen wollte: "Ich bin auch nicht mehr der Jüngste", hatte er zuletzt gesagt. Auf neuen Skiern muss man sich nur oft eine Saison lang eingrooven, wie ein Pilot in einem neuen Rennauto, und wenn diese Saison ein Olympiawinter ist, wird es nicht gerade leichter. In Sölden fand Luitz Bedingungen vor, die er in der Vorbereitung mit dem neuen Material noch gar nicht bestritten hatte; Skier, Schuhe und Bindung da aufeinander abzustimmen, sei "eine Lotterie" gewesen, sagte er. Das merkte man seiner Fahrt im Steilen dann auch an. Schmid wiederum stieß nach dem ersten Lauf überraschend auf Rang sieben vor, im zweiten Durchgang machte sich allerdings der Lernrückstand bemerkbar, dem ihm eine Sehnenreizung zuletzt verschafft hatte. Der schwere Steilhang lag nun im Schatten, Schmid misslangen prompt zwei, drei Schwünge. Die Strafe dafür, Platz 19, empfand Schmid zwar als "brutal", angesichts aller Umstände sei er dennoch "zufrieden".

Die größten deutschen Hoffnungen im Winter werden wohl wieder auf den Schnellfahrern und Schnellfahrerinnen liegen. Die DSV-Frauen waren in Sölden schon froh, dass es Marlene Schmotz in den zweiten Durchgang geschafft hatte, als 28., nach langer Verletzungspause. Kleiner Bonus: Sie sicherte dem Verband einen dritten Startplatz für den nächsten Riesenslalom. Vielleicht ja für eine weitere Athletin mit Alleinstellungsmerkmal.

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