Süddeutsche Zeitung

Skeleton:Der goldene Eiskanal

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Hannah Neise holt den nächsten deutschen Olympiasieg - wieder ist es ein historischer. Tina Hermann verpasst Bronze.

Die Gold-Festspiele gehen weiter, der Eiskanal von Yanqing bleibt ein schwarz-rot-goldenes Winter-Paradies: Hannah Neise hat sich völlig überraschend zur ersten deutschen Olympiasiegerin im Skeleton gekrönt und die schier unglaubliche Siegesserie der Schlittensportler in China fortgesetzt.

Einen Tag nach dem historischen Triumph von Christopher Grotheer bei den Männern raste die ehemalige Juniorenweltmeisterin aus Winterberg kopfüber zum nächsten Premierensieg. Die Australierin Jaclyn Narracott und Gesamtweltcupsiegerin Kimberley Bos aus den Niederlanden holten Silber und Bronze - und stachen Tina Hermann aus. Für die Weltmeisterin blieb nur der undankbare vierte Platz, Jacqueline Lölling wurde Achte. Nach den vier Goldmedaillen der Rodler um Rekordolympionikin Natalie Geisenberger gab es somit auch beim Skeleton nur deutsche Siege - eine einmalige Bilanz in der "Goldrinne". Und die Bob-Wettkämpfe mit dem alles überragenden Fahnenträger Francesco Friedrich kommen erst noch.

Neise schrieb mit ihrem Triumph wie schon Grotheer am Vortag Skeleton-Geschichte, denn eine deutsche Olympiasiegerin hatte es seit der Frauen-Premiere 2002 noch nie gegeben. Insgesamt holten die waghalsigen "Kopf-voran"-Rodler in China drei von sechs möglichen Medaillen, Grotheer hatte einen Doppelsieg vor Axel Jungk angeführt.

Dass Neise am Samstag nach vier Läufen die Beste war, kam aus dem Nichts. Noch nie stand die erst 21-Jährige im Weltcup, wo sie erst seit zwei Jahren unterwegs ist, auf dem Podest. Erst bei der Europameisterschaft in St. Moritz drei Wochen vor Olympia-Start hatte die Polizeianwärterin mit Platz acht die interne Norm für die Winterspiele erfüllt - und anschließend wegen einer Corona-Infektion doch um ihren Olympia-Traum bangen müssen.

Neise präsentierte sich in China aber nicht nur topfit, sondern mit Blick auf ihr Alter auch bemerkenswert nervenstark. In ihrer Heimatstadt Schmallenberg im Hochsauerlandkreis verfolgten rund 100 Fans bei einem kleinen Public Viewing, wie das "Küken" im dritten Lauf trotz eines Fahrfehlers in der Kurve 13 die Führung übernahm.

Neises Erfolgsrezept war ganz offenbar ihre Gelassenheit. "Ich versuche, das Ganze entspannt zu sehen, dann wird das schon passen", hatte die eher zurückhaltende Pilotin zur Rennhalbzeit gesagt. Ohnehin sei sie kein Mensch, der die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen "so raushängen lässt". Nervös? "Werde ich eigentlich nicht vor dem Rennen." Und so konnte die Konkurrenz im abschließenden vierten Lauf tatsächlich nicht mehr kontern. Hermann musste den Bronzerang erst im letzten Lauf abgeben, für sie wiederholte sich ein Drama: Schon bei Olympia 2018 hatte sie als Fünfte eine Medaille um acht Hundertstel verpasst.

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SZ vom 13.02.2022 / SID
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