Süddeutsche Zeitung

Sicherheit in der Formel 1:"Nichts rechtfertigt den Tod eines Rennfahrers"

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Mit einem Schutzbügel über dem Kopf der Piloten sollen Formel-1-Autos sicherer werden - doch die Umbauten gestalten sich kompliziert.

René Hofmann, Hockenheim

Sebastian Vettels Meinung war eindeutig. "Nichts rechtfertigt den Tod eines Rennfahrers", findet der viermalige Weltmeister, weshalb er - wie die überwältigende Mehrheit seiner Formel-1-Kollegen - dafür ist, dass die offenen Rennwagen so schnell wie möglich einen Bügel bekommen, der große Objekte abfängt, die ansonsten den Kopf des Fahrers treffen. So schnell wie möglich hieß: Mit Start der nächsten Saison, der im März 2017 geplant ist. Aus dem Vorhaben aber wird nichts.

Vor dem Großen Preis von Deutschland an diesem Sonntag auf dem Hockenheimring (Sonntag 14 Uhr/Lievticker SZ.de), gab es in Genf ein Treffen der sogenannten Strategie-Gruppe, die in wichtigen Regelfragen ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Das Gremium, in dem als maßgebliche Vertreter Gesandte der Teams von Mercedes, McLaren, Williams, Ferrari, Red Bull und Force India sitzen, entschied: Das Projekt wird verschoben. Mindestens bis 2018.

Bevor die Fahrer einen Bügel über den Kopf bekommen, soll der erst einmal ausgiebig getestet werden.

Noch in diesem Jahr, so teilte Charlie Whiting, der Regelaufseher des Automobilweltverbandes FIA am nächsten Tag am Hockenheimring mit, sollen alle Rennställe mit dem System Runden drehen. Bisher haben erst wenige den "Halo" genannten Aufbau ausgeführt - und das auch nur für einige Kilometer. Die Autos von Red Bull beispielsweise bekommen schnell Kühlprobleme, wenn die zwei massiven Bügel aufgeschraubt werden, die vor dem Fahrer am Cockpit mittig in einer Art Schwert enden. Weil das Ganze ein wenig an einen Heiligenschein erinnert, wurde die Idee "Halo" (Englisch für Heiligenschein) getauft.

Alexander Wurz, der als einer der Vorsitzender der Fahrervereinigung GPDA eine der treibenden Kräfte hinter Halo ist, bedauerte die Verschiebung: "Ich hoffe inständig, dass wir alle diese Entscheidung nicht eines Tages bitter bereuen", sagte der 42-jährige Österreicher. Beim Großen Preis von Ungarn war den Fahrern das Modell detailliert vorgestellt worden. Dabei wurde ihnen vorgerechnet: Halo lenkt alle großen Objekte ab - und immerhin noch etwa 17 Prozent herumfliegender Kleinteile wie etwa die abgebrochene Dämpferfeder, die den Brasilianer Felipe Masse vor sieben Jahren in Ungarn fast erschlug.

Nach der Präsentation war auch der Skeptiker überzeugt, der sich zuvor am lautesten ablehnend geäußert hatte: Titelverteidiger Lewis Hamilton. "Es ist eine Frage der Sicherheit, das müssen wir alle akzeptieren", so der Mercedes-Fahrer. Mit dem Argument könnte der Automobilweltverband FIA den Prozess an sich ziehen und die Einführung schnellstmöglich vorschreiben. Das aber tut er nicht - womit die höchste Motorsportkategorie sich in gewisser Weise treu bleibt. Ein Schritt vor, ein Schritt zurück: Den Trend gab es in Regelfragen jüngst häufiger zu beobachten.

Anfang der Saison wurde der Qualifikationsmodus in ein Ausscheidungsfahren geändert; nach wütenden Fan-Protesten ging es kurz darauf wieder in der bewährten Manier rund. In den ersten elf Rennen dieses Jahr war es den Kommandoständen kategorisch verboten, den Fahrern Tipps ins Cockpit zu funken; dieses Verbot weichte die Strategiegruppe nun plötzlich fast bis zur Unkenntlichkeit auf. Auf dem Hockenheimring gilt das Schweigegebot nur noch auf der Einführungsrunde.

Danach darf wieder munter drauflos geplaudert werden. Und auch die sogenannten track limits, um die zuletzt ein ziemliches Gewese gemacht wurde, interessieren jetzt plötzlich kaum mehr. Künftig dürfen die Fahrer in so gut wie jeder Kurve wieder so weit über die Randsteine hinaus fahren, wie sie mögen. Nur in einigen besonders kniffeligen Kehren, soll weiter besonders genau hingeschaut werden.

All das Hin und Her wird selbst einem zweimaligen Weltmeister zu viel. "Ich gebe auf", stöhnt Fernando Alonso.

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Quelle:
SZ Digital vom 30.7.2016
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