Süddeutsche Zeitung

Vendée Globe im Segeln:Herrmanns Hoffnung zerschellt an einem Fischerboot

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Ein Riesendrama verbaut ihm die Siegchance: Nur wenige Seemeilen vor dem Ende der Weltumseglung kommt es zu einer folgenschweren Kollision. Der deutsche Segler rätselt, warum seine Alarmsysteme ihn nicht warnten.

Von Thomas Gröbner

Es gibt bei der Vendée Globe tausend Gefahren, und jeder Ozean hat seine eigenen Tücken. Die scharfkantigen Eisberge in der Einsamkeit des Südmeeres, die brüllenden Winde des vierzigsten Breitengrades, schlafende Wale und herrenlose Container im Pazifik, die der Sturm von Frachtern gewischt hat.

All diese Hindernisse hat Boris Herrmann bei der Solo-Weltumseglung glücklich umschifft, doch am Ende war es ein Fischerboot, an dem seine Hoffnung zerschellte und ein Tragflügel der Seaexplorer brach - gerade, als das Ziel schon fast in Sichtweite war.

Das Unglück traf den 39-Jährigen im Schlaf: ein dumpfer Schlag weckte ihn, ein Fischkutter tauchte in der Dunkelheit auf und stieß mit Herrmanns Boot zusammen. Trotz der Radarsysteme, die eigentlich ein automatisches Ausweichmanöver auslösen sollten.

"Es war der schlimmste Albtraum, den ich bisher erlebt habe", meldete sich Herrmann schon eine Stunde nach der Kollision am Mittwochabend. "Ich hatte alle Alarmsysteme an. Es gab keinen Alarm." Vielleicht hatte das Fischerboot sein Automatisches Identifikationssystem deaktiviert (AIS), vermutet Herrmann.

Bei der Kollision wurde ein Foil beschädigt, der Bugspriet abgebrochen, das Vorsegel verhedderte sich im Kran des Kutters, nach notdürftigen Reparaturen schleppte sich Herrmann unverletzt mit ein paar Knoten Richtung Hafen. Die Aussicht, diese wohl härteste Regatta der Welt zu gewinnen, war dahin. Erst am Donnerstagvormittag erreichte er das Ziel und wurde letztlich Fünfter.

Es ist ein Wunder, dass Herrmann überhaupt Schlaf gefunden hatte, immerhin lockte die Aussicht auf Historisches. Als erster deutscher Segler war er drauf und dran, die stolze Segelnation Frankreich, die sonst immer den Sieger stellt, zum ersten Mal bei der härtesten Regatta der Welt zu schlagen. Und er musste dazu nicht einmal als Erster ins Ziel kommen.

Den Sieg holt Yannick Bestaven

Denn die Ausgangslage war unübersichtlich, nachdem drei Segler eine Zeitgutschrift bekommen hatten für eine spektakuläre Rettungsaktion im Atlantik. Zwölf Stunden hatte Ende November die Suche gedauert nach Kevin Escoffier, bei der neben Herrmann auch Yannick Bestaven hinzueilte. Schließlich fischte ihn der alte Haudegen Jean Le Cam aus dem Wasser, Le Cam bekam 16:15 Stunden Bonus, konnte aber nicht mit der Spitze mithalten. Anders Boris Herrmann, der mit einer Gutschrift von sechs Stunden auf Platz drei auf die Atlantikküste zuhielt, Yannick Bestaven (10:15 Stunden) lag dahinter auf Platz fünf. Nach 80 Tagen sollten diese Stunden entscheidend werden.

Eine Flaute vor Brasilien hatte das Feld zusammengehalten wie ein unsichtbares Band, und sorgte so für ein Finale der Atemlosigkeit nach endlosen Tagen und Nächten auf See, diese Weltumseglung war so knapp wie nie zuvor. Kurzerhand musste die Ziellinie verlängert werden vor der Küste von Les Sables-d'Olonne, von 500 Meter auf 3,5 Kilometer, damit gleich mehrere Boote sie kreuzen konnten.

Charlie Dalin kam als Erster an, doch als Sieger durfte acht Stunden später im gespenstisch leeren Hafen dann Yannick Bestaven jubeln. Zweieinhalb Stunden waren ihm noch geblieben von seinem Zeitreservoir, das Boris Herrmann längst aufgebraucht hatte. Dabei dachte der Hamburger, auf dieser Reise schon alles erlebt zu haben.

"Die Würfel sind gefallen, die Karten liegen auf den Tisch", hatte der Hamburger Herrmann noch am Dienstag geglaubt. Er hatte sich auf der südlichen Route an den Führenden Charlie Dalin gehängt, die Konkurrenten um Bestaven stürmten aus dem Norden heran, die Winde würden nun entscheiden, wer am schnellsten ankommt vor Les Sables-d'Olonne. Rien ne va plus, so dachte Herrmann. Aber das Schicksal hatte noch eine Karte zu spielen, und aus der Dunkelheit näherte sich unbemerkt vom Radar ein Fischerboot.

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