Süddeutsche Zeitung

Schwimm-WM in Rom:Königin mit Killerinstinkt

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Die Schwimmerin Federica Pellegrini aus Venedig ist in Italien ein Idol - sie ist erfolgreich, liebt den Glamour und hat manchmal Angst zu ertrinken.

Birgit Schönau

Federica Pellegrini ist überall die Erste. Sie ist Italiens erste Olympiasiegerin, seit dem Gold für 200 Meter Freistil 2008 in Peking. Sie hat in diesem Jahr bereits zwei Weltrekorde aufgestellt, im März über 200 Meter Freistil, im Juni über 400 Meter. Sie ist überhaupt Italiens erster weiblicher Schwimmstar, ein Star, der aus dem Wasser kommt, hochgewachsen und schlank, blond und kühl. Federica Pellegrini, 20, ist Venezianerin, schnell und schlagfertig. "Rom ist eine wunderschöne Stadt, aber Venedig ist einzigartig", sagt sie. In Venedig wurde sie Sportlerin, in Rom könnte sie zum Weltstar werden, wenn alles nach Plan läuft und nach den Wünschen der Tifosi.

Denn Federica Pellegrini, "Fede", wie sie Italien nennt, hat viele Fans, die Tickets für ihre Wettkämpfe sind begehrt. Schwimmen ist in Italien auf einmal in, obwohl es nie Breitensport war, sondern eher wie Tennis: Ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten. Als Schulsport existiert Schwimmen allerhöchstens in Norditalien, in Rom und im Süden gibt es keine öffentlichen Schwimmbäder. Italien hat 7600 Kilometer Küsten und ist doch ein Land der Nichtschwimmer. Als Massimiliano Rosolino bei den Spielen 2000 in Sydney Gold holte, erfuhren die Schwimmschulen einen ersten Andrang.

Neuer Star im Frauensport

Aber eine Schwimmerin als Massenidol, das ist neu. Bisher war Frauensport nur interessant, wenn die Fechterinnen oder die Skiläuferinnen aus Südtirol wieder einmal eine Medaille holten. Mit der Blonden aus Venedig ist das anders. Während der Fußball als Männersport Nummer eins gar jämmerlich vor sich hinsiecht, hoffen alle auf Pellegrini. "Fede" ist das italienische Wort für "Glaube".

Fede hat auch Glamour - und das hilft. Über jedes neue Tattoo auf ihrem Körper berichtet hingebungsvoll die Presse. Fede liebt die Mode, genießt Auftritte auf dem Laufsteg, lässt sich als Vamp für Sportmagazine fotografieren oder nackt und mit Gold überzogen für People-Illustrierte. Selbstredend ist sie längst eine Werbe-Ikone und wird zur Politik befragt. Da antwortet sie aber nicht. Auch das Fernsehen ist nicht ihre Sache, alle Einladungen in die üblichen Trash-Shows hat sie mit dem Hinweis auf ihre Kamerascheu abgelehnt.

Federica Pellegrinis großes Vorbild ist Franziska van Almsick. "Als Franziska bei der EM 2002 Weltrekord schwamm, hatte uns unser Trainer bei der Serenissima in Venedig rechtzeitig aus dem Wasser geholt, damit wir sie sehen konnten. An dem Tag habe ich angefangen, sie zu verehren." Van Almsick bedankte sich artig: "Federica ist sehr elegant. Im Schwimmsport Fans zu haben, ist selten, und sie kann in Rom von viel Unterstützung profitieren." Einmal hatte Pellegrini einen Weltrekord von van Almsick unterboten, 2007 beim WM-Halbfinale über 200 m Freistil in Melbourne. Aber beim Endlauf einen Tag später waren Annika Lurz und die Französin Laure Manaudou schneller.

Sie will schwimmen, ihr Freund zum Film

Mit der Schwimmdiva Manaudou verbindet Pellegrini eine herzliche Abneigung. Die Italienerin habe ihr den Sizilianer Luca Marin ausgespannt, hatte Manaudou öffentlich geklagt, und die Medien griffen begeistert zu. Manaudou, Marin, Pellegrini, das Schwimmer-Dreieck war perfekt und so gelangte auch Marin in die Schlagzeilen, obwohl man seit seinem Kurzbahn-Sieg bei der EM 2006 wenig von ihm gehört hatte. Heute sind Marin und Pellegrini das Glamour-Paar des italienischen Sports, er natürlich drei Schritte hinter ihr. Gemeinsam wollen sie nach der WM für ein halbes Jahr nach Los Angeles ziehen, sie zum Schwimmen, er möchte lieber zum Film.

Federica Pellegrini erlebt bei jedem Wettkampf innere Dramen. Vorher habe sie den immer gleichen Albtraum. "Ich stehe auf dem Startblock, aber ich schaffe es nicht, meinen Bademantel auszuziehen. Also werfe ich mich mit dem Ding ins Wasser und schwimme mit Bademantel und Gürtel. Bei jedem Zug wird der schwerer, aber ich mache weiter." Zum Wasser pflegt sie die Hassliebe vieler Schwimmer. Tief drinnen verspüre sie Todesangst: "Es klingt verrückt, aber ich habe wirklich eine Urangst, zu ertrinken." Neben ihrem Trainer steht ihr ein Psychologe zur Seite, gegen die regelmäßigen Panikattacken vor dem Start.

Kritik am Verband

Schwimmen ist ein komplizierter Sport geworden, in dem Doping weniger ein Thema ist als die Seelenqualen der Athleten und der Kampf um den richtigen Schwimmanzug. Pellegrinis Weltrekord im Juni während der Mittelmeer-Spiele in Pescara hatte ein Nachspiel im Verband, weil die Sportlerin das Logo des Nationalmannschafts-Sponsors geschwärzt hatte. Sie habe ihren eigenen Sponsor, verteidigte sich Pellegrini und beklagte die "mangelnde Solidarität" von einem Verband, dessen Vorzeigeathletin sie ja immerhin sei.

Pellegrini solle sich nicht wie eine "Heulsuse" benehmen, konterte der Verbandspräsident. Auf die Frage, ob ihr der Funktionär sympathisch sei, entgegnete Federica Pellegrini: "Die Antwort gebe ich nach der Weltmeisterschaft." Die sensible Diva kann auch austeilen. Über sich selbst sagt sie: "Ich habe mehr Kraft als andere. Ich besitze Killerinstinkt." Vielleicht wird sie damit zur Königin von Rom.

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Quelle:
SZ vom 24.07.2009
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