Süddeutsche Zeitung

1860 München:Der Wettlauf in Giesing geht weiter

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Der scheidende Geschäftsführer Michael Scharold verbirgt nicht, dass er beim TSV 1860 nur ein Zwischenziel erreicht hat. Es fehlt immer noch rund eine halbe Million Euro zum aktuellen Etat.

Von Markus Schäflein

Die Zahlen, findet Michael Scharold, haben sich positiv entwickelt. Und wenn jemand, der sich mit Zahlen auskennt, so etwas über den TSV 1860 München sagt, ahnt man schon, dass es nur die halbe Wahrheit sein kann. Der zum Saisonende scheidende Finanz-Geschäftsführer verweist darauf, wie sich der aus dem operativen Geschäft generierte Anteil des Gesamt-Sportbudgets seit seiner Amtsübernahme entwickelt hat: Im Regionalliga-Jahr 2017/18 war es noch eine knappe Million Euro, nach dem Drittligaaufstieg waren es schon 3,5 Millionen, dann in der laufenden Saison 4,5 Millionen.

Die Lücke zum gewünschten Niveau von rund sechs Millionen Euro, die etwa durch das Genussrecht des Investors Hasan Ismaik oder das Darlehen des Hauptsponsors Die Bayerische geschlossen wurde oder durch Transfergelder, wurde von Jahr zu Jahr kleiner. Die Sponsoringeinnahmen steigerten sich von Spielzeit zu Spielzeit jeweils um rund eine Million Euro, die Ticketingerlöse wurden erhöht, im Gegenzug wurde - insbesondere im Nachwuchsleistungszentrum - von der Profifußball-KGaA gespart. Scharold findet: "Wir können sehr stolz darauf sein, was wir erreicht haben."

Er scheiterte öfter, als etwas klappte

Bei allem Stolz gibt er sich aber keinerlei Mühe, zu verbergen, dass er in Giesing nur ein Zwischenziel erreicht hat. Der Wettlauf geht nächstes Jahr weiter: Es fehlt immer noch rund eine halbe Million Euro, um wieder auf den Etat der laufenden Saison zu kommen, mit gut 3,5 Millionen Euro für den Spielerkader. Obwohl die Transferbeteiligung an Julian Weigl im mittleren sechsstelligen Bereich schon mit eingeplant ist; der Erlös für den Transfer von Marin Pongracic steht aus vertraglichen Gründen derzeit hingegen nicht zur Verfügung. "Wir haben beim konstanten Budget auch von Sondereffekten profitiert", sagt Scharold - und diese Sondereffekte werden entweder bald zum Versiegen kommen (Transferbeteiligungen an ehemaligen Zweitligaspielern) oder sind e.V.-politisch nicht mehr erwünscht (Darlehen Ismaiks).

"Das Ziel muss es sein, 6,0 Millionen Euro für das Sportbudget aus dem operativen Geschäft zu bekommen", meint der 39-Jährige also, "dann könnte man von einer erfolgreichen Konsolidierung sprechen. Oder besser von erfolgreicher Gesundung, denn ich finde es schade, wie negativ der Begriff Konsolidierung bei Sechzig besetzt wurde." Jene Gesundung werde, so prognostiziert er es angesichts der Hoffnung auf weitere Einnahmensteigerungen, noch "zwei bis drei Saisons" dauern, "die müssen überbrückt werden". Macht dann also rund fünf Millionen Euro, die irgendwoher kommen müssen. Die Gespräche zwischen dem e.V. und der Investorenseite über den Einstieg eines dritten Gesellschafters, als eine Möglichkeit die Gesellschaft mit frischem Geld auszustatten, laufen laut Scharold, aber wenn das stimmt, laufen sie halt offenbar äußerst langsam. Der scheidende Geschäftsführer sagt also noch mal ganz deutlich: "Ich werbe darum, eine Kapitalmaßnahme durchzuführen."

Wenn Scharold für etwas wirbt, heißt das allerdings keineswegs, dass die Gesellschafter das interessiert. Er wollte in seiner Amtszeit ja schon so manches auf den Weg bringen und scheiterte im Streit der beiden Parteien öfter, als etwas klappte. "Natürlich ist das ein besonderes Umfeld, natürlich kostet das viel Kraft", sagt er und will auch das Positive sehen: "Reibung setzt auch viel Energie frei." Blöd ist das nur für den, der sich zerrieben fühlt: "Für den, der es ausarbeitet, ist es brutal intensiv. Es hat extrem viel Kraft gekostet, und die positive Entwicklung wird nur so weitergehen, wenn man 120 oder 160 Prozent gibt." Und dieser "man" wird nicht mehr Scharold sein: "Wenn man merkt, dass selbst eine Sommerpause Urlaub nicht mehr ausreicht, um sich zu erholen, sollte man die Konsequenzen ziehen."

Wann sein Nachfolger aufschlägt, weiß Scharold noch nicht; er geht davon aus, dass er bis zum 30. Juni weiterarbeitet, und er fände es auch "grundsätzlich positiv, wenn es eine Überschneidung gibt". Den Lizenzierungsprozess führt er derzeit noch, die ersten Unterlagen muss er zum 2. März einreichen - seine letzte Löwenaufgabe.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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