Süddeutsche Zeitung

Dressur-Weltmeisterin Charlotte Fry:High five mit der Königin

Lesezeit: 2 min

Die Britin Charlotte Fry reitet auf Glamourdale zum Weltmeistertitel. Auf ihrem Weg an die Spitze musste sie einen Umweg über die Niederlande gehen - dort fand sie ein Pferd, das an den fabelhaften Totilas erinnert.

Von Gabriele Pochhamer, Herning

Sie sieht aus wie ein Engel, aber in ihr schlägt das Herz einer Tigerin. Das muss wohl so sein bei Leistungssportlerinnen, denn Engel gewinnen selten Goldmedaillen. Die 26-jährige Britin Charlotte "Lottie" Fry und der elfjährige niederländische Hengst Glamourdale bezaubern die Menschen bei der Weltmeisterschaft in Herning, die Zuschauer auf den Rängen ebenso wie die Experten am Rande. Wenn der mächtige schwarze Hengst im starken Galopp die Diagonale herunterfliegt, dann stöhnt das Publikum ergriffen auf. Wo andere Pferde 18 Galoppsprünge brauchen, benötigt Glamourdale nur 13 - dazwischen liegen Welten und viele Punkte.

Mit 82,508 Prozent wurde Fry Weltmeisterin im Grand Prix Special und ließ die dänische Favoritin Cathrine Laudrup-Dufour hinter sich (81,322). Die beste deutsche Dressurreiterin Isabell Werth auf Quantaz verpasste knapp die Bronzemedaille, die an die Niederländerin Dinja van Lieren auf Hermes ging, was Werth vor allem dem britischen Richter Peter Storr verdankt, der ihr zwei bis fünf Prozent weniger gab als seine sechs Kollegen. Sie trug es mit Fassung, denn ihr Hengst Quantaz, der gleich nach Glamourdale an der Reihe war, lieferte eine der besten Vorstellungen seines Lebens ab.

Dass sie nicht gewinnen konnte, wusste die 53-Jährige schon beim Einreiten. Anerkennend klatschte sie mit Lottie Fry die Hände aneinander, als beide sich am Einritt begegneten: high five! Gut gemacht - sollte das wohl heißen. Am Tag zuvor hatte Werth der jungen Konkurrentin noch ein paar Tipps gegeben, wie man die Pirouetten verbessern könnte. "Isabell ist mein Idol, seit ich ein Kind bin, sie ist die Königin", sagte Fry nach ihrem Ritt. Und Fry dann vielleicht die Kronprinzessin, wenn man in royalen Kategorien bleiben will.

"Isabell ist mein Idol, seit ich ein Kind bin, sie ist die Königin", sagte Fry nach ihrem Ritt

Die andere Frau, die Lotties Karriere anschob, war ihre Mutter Laura Fry, Olympiateilnehmerin 1992 in Barcelona. "Sie war meine Inspiration und hat mich in diesen Sport gebracht", sagt Lottie. Laura Fry erlebte noch den ersten Lorbeer ihrer Tochter bei Nachwuchs-Championaten, bevor sie 2012, erst 45 Jahre alt, an Krebs starb. Da war Lottie 16 und hatte sich längst entschieden, dass sie Dressurreiten zu ihrem Beruf machen wollte. Carl Hester, der britische Olympiareiter und -trainer, bot Lottie einen Job in seinem Stall an. Er hatte ihr Ausnahmetalent erkannt. Im Stall gab es allerdings schon eine andere Charlotte, die Olympiasiegerin Charlotte Dujardin, quasi die Chefbereiterin mit dem Anspruch auf die besten Pferde. Und das sollte auf absehbare Zeit so bleiben.

Hester vermittelte Lottie an den Stall von Anne und Gertjans van Olst in den Niederlanden. Das Ehepaar betreibt eine Hengststation mit einer ganzen Riege hochbegabter junger Pferde, unter denen Lottie quasi die Auswahl hat. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, Lotties Karriere nahm Fahrt auf. Auf Everdale nahm sie an den Olympischen Spielen in Tokio teil, wurde Dreizehnte in der Einzelwertung und half, Teambronze zu gewinnen.

Zuhause wartete schon ein enger Verwandter von Everdale, lackschwarz wie er, aber viel artiger im Umgang und unkomplizierter im Training: Glamourdale. Seine Ausbildung dauerte etwas länger, an seinen Piaffen wurde noch gefeilt. Heute sind sie gut, aber nicht sensationell. Ohne hohe Noten in diesen Lektionen wird es schwer, dauerhaft an der Spitze zu bleiben. Und sie fallen Glamourdale nicht so leicht wie einst Totilas, dessen Piaffen bis heute unerreicht sind.

Aber genau wie der schwarze Wunderhengst kann Glamourdale die Menschen in seinen Bann ziehen. Darauf baut Fry auch am Mittwochabend in der Musikkür. Diesmal tritt sie schon als Favoritin an. Auch gegen die zwei Deutschen: Benjamin Werndl auf Famoso, Fünfter im Special mit persönlichen Bestnoten, und Isabell Werth, die mit Quantaz eine völlig neue Kür zeigen wird. "Mal sehen, wie es läuft", sagt Werth. "Ich habe schließlich nichts zu verlieren."

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