Süddeutsche Zeitung

Regionalliga:Norddeutscher Geister-Meister

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Die Saison in der Regionalliga Nord wird laut einstimmigem Verbands-Votum abgebrochen - und Tabellenführer VfB Lübeck feiert den Aufstieg in die dritte Liga.

Es war nicht ganz die Aufstiegsfeier, wie man sie sich vorstellt, wenn ein traditionsreicher Verein nach schwierigen Jahren in den Profifußball zurückkehrt, aber immerhin: Es lief Schlagermusik, und es gab einen Kasten Bier auf dem Parkplatz. So, mit Zuprosten auf Sicherheitsabstand, sah jedenfalls der Teil der Feierlichkeiten am Freitag aus, bei dem sich die Spieler des VfB Lübeck von einem Kamerateam des NDR filmen ließen. "Ich glaube, es gibt nur einen verdienten Aufsteiger, und das sind wir", sagte Stürmer Ahmet Arslan.

Während in der ersten und zweiten Liga wieder gespielt wird und es in der dritten Liga zwar noch sehr viel Klärungsbedarf, aber immerhin ein Datum für den Wiederbeginn gibt, sind die Überlegungen, wie es in der vierten Liga weitergehen soll, noch längst nicht so weit. Zwar ist in allen fünf Staffeln ein Abbruch das wahrscheinlichste Szenario, und in Bayern ist es bereits Beschluss, dass der Drittliga-Aufsteiger der Tabellenführer bei Meldeschluss ist. Doch ob Türkgücü München wirklich aufsteigen will, ist noch nicht klar. Und zum Beispiel im Westen droht es knifflig zu werden: Dort will Tabellenführer Rödinghausen nicht aufsteigen, die Verfolger Verl, Essen und Oberhausen aber schon; sie schlagen vor, in einer Finalrunde den Teilnehmer an der Aufstiegs-Relegation auszuspielen. Es ist also alles nicht so einfach.

Insofern war es eine durchaus besondere Entwicklung, die der Norddeutsche Fußballverband (NFV) am Freitagnachmittag in einer Mitteilung bestätigte: Das Präsidium habe sich einstimmig für einen Saisonabbruch in der Regionalliga Nord und für einen Aufstieg des Tabellenführers VfB Lübeck ausgesprochen. "Wir freuen uns natürlich sehr über diese Entscheidung, wenngleich nichts einen Aufstieg auf dem grünen Rasen mit all seinen Emotionen ersetzen kann", sagte der Lübecker Vorstandssprecher Thomas Schikorra.

Noch ist der Aufstieg des VfB zwar nicht amtlich, eine endgültige Entscheidung kann erst bei einem außerordentlichen Verbandstag des NFV Ende Juni fallen, für den der Beschluss des Präsidiums vom Freitag als Beschlussvorlage gilt. Doch in Lübeck sehen sie sich als ersten feststehenden Aufsteiger in den Profifußball während der Corona-Krise - und auch Lübecks Konkurrenten sehen das so. "Wir gehen davon aus, dass das durchgehen wird. Wir haben alles getan, was wir tun können. Wir gratulieren dem VfB Lübeck zum Aufstieg und werden da auch nicht nachtreten", sagte der Sportliche Leiter des Konkurrenten VfL Wolfsburg II, Pablo Thiam, dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Lübeck hatte vor der Saison-Unterbrechung bereits zweimal gegen Wolfsburg gespielt, einmal 1:2 verloren und einmal, erst Ende Februar, 2:1 gewonnen.

In zwei von drei Kernpunkten schloss sich das NFV-Präsidium der Mehrheitsmeinung der 18 Regionalliga-Vereine an: Die Saison soll nicht fortgesetzt werden, Absteiger soll es nicht geben. Während sich die Vereine aber für eine Aufstiegsrelegation zwischen Lübeck und Wolfsburg aussprachen, ist die Verbandsspitze dafür, Tabellenführer Lübeck zum Aufsteiger zu erklären. "Der VfB Lübeck ist in allen Konstellationen der Tabelle an der Spitze, daher das klare Votum für den Aufstieg des VfB Lübeck", sagte NFV-Präsident Günter Distelrath. Lübeck hat in der Tabelle bei einem Spiel mehr als Wolfsburg sieben Punkte Vorsprung.

In der Saison 2003/2004 spielte der VfB zuletzt im Profifußball, stieg dann aber aus der zweiten Liga in die Regionalliga ab und qualifizierte sich 2008 nicht für die neue eingleisige dritte Liga. In den Folgejahren stellte der Verein zweimal einen Insolvenzantrag, 2013/2014 musste er eine Saison in der Schleswig-Holstein-Liga spielen. Das Ziel war danach der Aufstieg in die dritte Liga in der Jubiläumssaison - und dieses Ziel dürfen sie nun, leicht verspäett, als erreicht betrachten: Der VfB, gegründet 1919, feierte zu Saisonbeginn seinen 100. Geburtstag.

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SZ vom 24.05.2020 / SZ
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