Süddeutsche Zeitung

Radsport:Degenkolb-Unfall: "Glück gehabt, dass sie leben"

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Von Johannes Aumüller

Vor ein paar Tagen war John Degenkolb mal wieder im Norden Frankreichs unterwegs. Deutschlands derzeit bester Radsportler liebt das Kopfsteinpflaster dort, 2015 gewann er auf diesem Terrain den prestigeträchtigen Frühjahrsklassiker Paris - Roubaix. Nun fuhr Degenkolb zur Einstimmung auf die nächste Auflage also wieder ein paar Kilometer über die gefürchteten Pavés, im Velodrom des Zielortes schraubte er in den Duschen eigenhändig die traditionelle Sieger- plakette an. Bei der Gelegenheit bekräftigte Degenkolb auch seine Marschroute: Am 10. April in Roubaix seinen Vorjahrestriumph zu wiederholen, das ist das Ziel der ersten Saisonphase, ehe er sich dann darauf konzentrieren möchte, endlich seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France zu holen - und im Herbst bei der Rad-WM in Katar zu reüssieren.

Doch seit diesem Wochenende ist völlig ungewiss, wie es mit Degenkolbs Plänen für Paris - Roubaix sowie den weiteren Verlauf des Jahres weitergeht. Im Trainingslager seiner mit deutscher Lizenz startenden Giant-Alpecin-Mannschaft in Südspanien war der 27-Jährige aus Frankfurt in einen schweren Unfall verwickelt. Auf einer schmalen Land- straße zwischen Benigembla und Parcent fuhr ein Auto frontal in eine sechsköpfige Gruppe von Radprofis, zu der neben Degenkolb seine Mannschaftskollegen Max Walscheid (Neuwied), Warren Barguil (Frankreich), Chad Haga (USA), Fredrik Ludvigsson (Schweden) sowie Ramon Sinkeldam (Niederlande) zählten.

Unfälle zwischen trainierenden Radprofis und Autos kommen gar nicht so selten vor. In diesem Fall war der Zusammenstoß offenkundig besonders heftig. Die Fahrer hätten "Glück gehabt, dass sie leben", sagt Degenkolbs Manager Jörg Werner. Details zum Unfallhergang sind bisher kaum bekannt, die spanische Polizei ermittelt. Die Fahrer seien nebeneinander auf ihrer Straßenseite gefahren, teilte die Mannschaft mit.

Degenkolb kann sich kaum erinnern

Klassiker-Spezialist Degenkolb sagte, er könne sich kaum noch an etwas erinnern. Er brach sich bei dem Zusammenstoß den rechten Unterarm, zudem erlitt er mehrere Wunden an Oberschenkel, Arm und Lippe. Die Fingerkuppe seines linken Zeigefingers war nahezu vollständig abgerissen, sie hing nur noch "am letzten Zipfel", teilte er mit. Am Sonntagnachmittag sollte er sich deswegen in einem Krankenhaus in Valencia einer Operation unterziehen.

Das Giant-Team will Degenkolb nach der Finger-Operation aber so schnell wie möglich von Valencia nach Hamburg bringen, damit sich der Radprofi dort noch einmal einer intensiveren Untersuchung unterziehen kann. Wann er wieder das Training aufnehmen kann, ist völlig offen, "aber das ist jetzt auch nicht wichtig", sagte Manager Werner.

Nachwuchsfahrer Walscheid, der sich in Südspanien auf sein erstes Profijahr vorbereitete, brach sich eine Hand und das Schienbein, der Klassement-Fahrer Barguil das Kahnbein. Am schlimmsten erwischte es den Amerikaner Haga, der einen Augenhöhlenbruch erlitt und an Hals und Kinn operiert werden musste. Er soll sich nach Angaben seiner Familie aber in stabilem Zustand befinden.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2016
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