Süddeutsche Zeitung

Qualifikations-Blamagen:Auch Deutschland erwischte es schon

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Als sich die Niederlande 2002 nicht für die Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan qualifizierten, war der Spott groß. "Ohne Holland fahr'n wir zur WM", avancierte zum beliebtesten Fan-Gesang in deutschen Stadien. Nun erlebt dieser Klassiker eine Neuauflage. Obwohl das Teilnehmerfeld bei der EURO 2016 in Frankreich auf 24 Teams aufgebläht wurde, bleibt der Elftal um Arjen Robben im kommenden Sommer nur die Zuschauerrolle.

Doch allein stehen die Niederländer mit dieser Blamage nicht da: In den Qualifikationsrunden zu Welt- und Europameisterschaften sind schon andere große Fußball-Nationen gestrauchelt - auch Deutschland. Der damalige Vize-Weltmeister verpasste 1968 den Sprung zur EM-Endrunde.

WM 1958: Italien gilt in Qualifikations-Gruppe acht als großer Favorit, zumal die 1950er-Weltmeister Ghiggia und Schiaffino aus Uruguay eingebürgert wurden. Doch Niederlagen in Portugal und Nordirland besiegeln das Schicksal der Italiener. Das kleine Nordirland darf zur WM, die obendrein ohne Spanien stattfindet. Zwar dominiert Real Madrid den Vereinsfußball zu dieser Zeit fast nach Belieben, für das Nationalteam um den legendären Alfredo Di Stéfano kommt gegen Schottland jedoch das peinliche Aus.

EM 1968: Deutschland hätte in Tirana ein Sieg gegen Albanien für das EM-Ticket genügt, doch es reicht für die DFB-Elf nur zu einem blamablen 0:0 gegen den damaligen Fußball-Zwerg. Die EM-Endrunde findet ohne den Vizeweltmeister von 1966 statt. "Wir wussten, dass uns dieser Tag ein Leben lang verfolgen würde. Es war eine einzige Katastrophe, der absolute Tiefpunkt", sagte Günter Netzer später über die "Schmach von Tirana". Schwacher Trost: Auch Spanien, 1964 noch Europameister, konnte sich nicht qualifizieren.

WM 1970: Argentinien scheidet in der Qualifikation zur WM in Mexiko mit nur einem Sieg und einem Unentschieden gegen Peru und Bolivien aus.

WM 1974: England muss das abschließende Qualifikationsspiel gegen Außenseiter Polen gewinnen, kommt aber nicht über ein mageres 1:1 hinaus und belegt nur den zweiten Platz in Gruppe fünf. "Das Ende der Welt", titelt die Boulevardzeitung Sun. Englands Fußball-Mythos ist acht Jahre nach dem WM-Triumph von 1966 endgültig begraben.

EM 1984: Italien geht als Weltmeister und großer Favorit in die Qualifikation zur EM 1984 - und versagt. Die Italiener werden in Gruppe fünf hinter Rumänien, Schweden und der Tschechoslowakei nur Vierter. Nur Zypern ist noch schlechter. Auch die Niederlande scheitern, ziehen gegen Spanien den Kürzeren.

EM 1988: Titelverteidiger Frankreich fehlt bei der EURO in Deutschland. Das Team um Michel Platini, der 1987 zurückgetreten ist, wird hinter der Sowjetunion und der DDR nur Gruppendritter. Die WM zwei Jahre später in Italien findet ebenfalls ohne Frankreich statt.

EM 1992: Italien wird in seiner Gruppe überraschend nur Zweiter hinter der Sowjetunion und scheitert ebenso in der Qualifikation wie Spanien als enttäuschender Dritter hinter Frankreich und der Tschechoslowakei.

WM 1994: Wieder einmal erwischt es England, obwohl sich aus jeder Gruppe zwei Teams qualifizieren. Doch die Niederlande und Überraschungsteam Norwegen sind für die Briten zu stark. Nach dem vorentscheidenden 0:2 gegen Oranje steht in den englischen Medien vor allem der deutsche Schiedsrichter Karl-Josef Assenmacher in der Kritik. Er hatte den Engländern angeblich einen Elfmeter verweigert und hätte Ronald Koeman die Rote Karte zeigen müssen.

WM 2002: "Ohne Holland fahr'n wir zur WM!" Ein 0:1 in Dublin gegen Irland erschüttert die Elftal, die hinter Portugal und Irland nur Gruppendritter wird. Da helfen auch 30 Tore in zehn Spielen nichts.

EM 2008: "Steve McClaren wird in Erinnerung bleiben als der Trottel mit dem Regenschirm", schreibt die Daily Mail über den damaligen englischen Nationaltrainer. McClaren sah im Regen von Wembley hilflos zu, wie sein Team das letzte Qualifikationsspiel gegen Kroatien 2:3 verliert und scheitert. Die Times spottet nach "der dunkelsten Nacht der jüngsten englischen Fußball-Geschichte": "Wir haben noch nie einen Cheftrainer gesehen, der in so einem wichtigen Spiel Angst hatte, dass seine Haare nass werden könnten."

EM 2016: Die EM 2016 in Frankreich findet ohne die Niederländer statt. De Volkskrant schreibt nach der verpassten Quali von einem "mitleiderregendem Oranje". Der niederländische Fußball sei "eingestürzt, demaskiert, wirklich skandalös", meinte De Telegraaf.

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