Süddeutsche Zeitung

Premier League:Bei Arsenal keimen Zweifel

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Der Londoner Klub erlebt unter Trainer Mikel Arteta einen historisch miserablen Saisonstart. Doch die Ambitionen sind trotz etlicher Widerstände hoch.

Von Tim Brack, München

Der englische League Cup steht nicht gerade im Verdacht, einen bedeutenden Pokal für den Trophäenschrank zu liefern. Die Jagd auf Auszeichnungen aus dem oberen Regal hatte Mikel Arteta, der Trainer des FC Arsenal, bei seinem Antritt im Dezember 2019 ja als Ziel ausgegeben. Es sagt also einiges über die Lage im Klub, dass die Erstrundenpartie dieses Wettbewerbs, in dem oft die Reserven der Spitzenteams kicken, zum Stimmungstest werden könnte. Am Mittwochabend steht für Arsenal das Duell beim formstarken Zweitligisten West Bromwich an.

In die Premier-League-Saison ist Artetas Mannschaft historisch miserabel gestartet. Gegen Aufsteiger Brentford und Champions-League-Sieger Chelsea unterlag sie jeweils 0:2. In der 118-jährigen Vereinsgeschichte war noch kein Kapitel geschrieben worden, in dem die Gunners, Vereinssymbol Kanone, nur Fehlschüsse abgaben: kein Tor, keine Punkte. Arteta haften noch weitere, scheußliche Zahlen an: 20 seiner 60 Ligapartien verlor er - Arsenals Trainerlegende Arsène Wenger erreichte diese Marke erst nach 116 Spielen. Auch Artetas Siegquote ist kein Bewerbungsschreiben, auch Vorgänger Unai Emery gewann häufiger.

Besonders die Niederlage gegen Chelsea am vergangenen Sonntag ließ Zweifel keimen, wohin es mit Arsenal gehen soll. Vor der Partie beklatschten die Fans im seit der Pandemie erstmals wieder vollbesetzten Stadion die feste Verpflichtung des zuvor geliehenen Regisseurs Martin Ödegaard (35 Millionen Euro/Real Madrid). Rund 150 Millionen Euro hat Arsenal in diesem Sommer bislang ausgeben. Man will sich auf Dauer wieder mit den Platzhirschen Chelsea, Liverpool, Manchester City und Manchester United messen - der regelmäßige Einzug in die Champions League ist das Ziel, erst im Frühjahr war man ja zumindest zwei Tage lang auch Teil der ominösen Super League. Auf dem Platz wirkte die Elf im Vergleich mit Chelsea nun aber wie eine, nun ja, bessere League-Cup-Reserve. Einige Fans buhten nach dem Abpfiff.

Arteta scheint eigentlich wie gemacht zu sein für den Posten bei Arsenal

Während Arsenals 150-Millionen-Investitionen in junge Spieler flossen, die zu großen Fußballern reifen sollen, gönnte sich Chelsea im Sommer Romelu Lukaku für rund 115 Millionen Euro. Ein fertig ausgebildeter Stürmer also, der sich wie das finale Puzzlestück ins Chelsea-Team einfügt. Bei Arsenal dagegen passt derzeit nicht viel zusammen - auch weil eine Handvoll potenzieller Stammspieler fehlt. Arteta sah seinem Team phasenweise untätig dabei zu, wie es taktische Fehler aneinanderreihte, unkoordiniert presste und jeglicher Elan nach zehn Minuten verpuffte. Es wirkte so, als könne Chelsea jederzeit einen Gang hochschalten, während Arsenal wie ein Fahrschüler die knirschende Kupplung quälte.

Kapitän Granit Xhaka hält trotzdem unversehens an den hohen Zielen fest. "Wir wollen etwas Große erreichen", beteuert der Schweizer. "Nach zwei Spielen sprechen viele über diese Mannschaft und diesen Klub, aber ich sage: Keine Saison endet nach zwei oder drei Partien. Wir haben immer noch Spiele vor uns, wir wissen, wir müssen viele Dinge verbessern und ich bin mir sicher, dass wir das tun werden."

Es lief ja auch mal geschmeidiger unter Arteta. Er stellte gleich in der ersten Saison den FA Cup in den Trophäenschrank. In den Duellen mit den Top-Klubs durchbrach er die notorische Unterlegenheit mit einigen Erfolgen. Die großen Erwartungen, die den Spanier seitdem begleiten, schürte er teilweise also auch selbst. Der 39-Jährige kennt Arsenal, er war Kapitän, hatte nach fünf Jahren in London seine aktive Karriere dort beendet. Danach war Arteta direkt in die Lehre bei Pep Guardiola gegangen. Bei Manchester City diente er ihm drei Jahre als Assistent. Einer, der bei einem der großen Fußballdenker gelernt hat und auch noch weiß, wie die Arsenal-Kabine aussieht, kann ja nur Erfolg bringen, schienen viele zu denken. Doch auf die Triumphe folgten oft Dürreperioden.

Arteta ist mitverantwortlich für die Launen der Mannschaft, aber Arsenals Klubverantwortliche haben es auch verpasst, eine kohärente Philosophie zu entwickeln, und auch Besitzer Stan Kroenke ist nicht bekannt dafür, gerne seinen Geldbeutel ganz weit zu öffnen. Sportdirektor Edu Gaspar rühmte sich zuletzt für einen "beispiellosen" Sommer, weil keine 30-Jährigen mit dicken Verträgen ausgestattet wurden, sondern hauptsächlich junge Spieler kamen. Doch so fehlt dem Kader die Substanz der Erfahrung, um mit den Besten mithalten zu können. "Es geht darum, was die Erwartung ist, und was das Potenzial ist. Wenn die beiden sich die Waage halten, dann bist du okay", erklärte Arteta: "Wenn sie nicht auf einem Niveau sind, wirst du nie jemanden zufriedenstellen können. So einfach ist das."

Am Sonntag trifft Arsenal in der Liga auf Manchester City. Vielleicht kann Arteta sich dann noch ein paar Tipps von seinem Mentor Guardiola abholen.

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