Süddeutsche Zeitung

Paralympics:Sportschützin Hiltrop holt Gold

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Die 29-Jährige gewinnt den Zehn-Meter-Wettbewerb mit dem Luftgewehr. Es ist die erste Para-Goldmedaille für die Sportschützen seit 2004. Jana Majunke gewinnt im Dreirad ebenfalls Gold.

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Sportschießen: Sportschützin Natascha Hiltrop ist Paralympicssiegerin im Zehn-Meter-Wettbewerb mit dem Luftgewehr. Die 29-Jährige gewann in einem spannenden Finale am Mittwoch in Tokio bei einem Gesamtwert von 253,1 Ringen mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,1 Ringen vor der Südkoreanerin Jino Park (253,0) die Goldmedaille. Bronze holte die Ukrainerin Irina Schchetnik (231,2). Für die deutschen Sportschützen ist es die erste Goldmedaille seit den Spielen in Athen 2004. In Rio 2016 hatte Hiltrop Silber gewonnen.

Radfahren: Dreirad-Fahrerin Jana Majunke hat bei den Paralympics in Tokio die fünfte deutsche Goldmedaille gewonnen. Die 21-Jährige aus Cottbus, die an spastischen Bewegungsstörungen leidet, setzte sich nach 36:06,17 Minuten mit mehr als einer halben Minute Vorsprung vor der Australierin Carol Cooke durch. Ihre 23 Jahre ältere Vereinskollegin Angelika Dreock-Käser, die nach einem Schlaganfall erstmals bei Paralympics startete, holte Bronze. Majunke hatte 2016 in Rio als 16-Jährige schon Bronze im Straßenrennen gewonnen. Somit haben die deutschen Athleten im Zeitfahren am Dienstag insgesamt acht Medaillen geholt: Zwei goldene, zwei silberne und vier bronzene.

Leichtathletik: Sprinterin Irmgard Bensusan hat ihre vierte Silbermedaille bei Paralympischen Spielen gewonnen. Die 30-Jährige lief bei strömendem Regen die 200 m in der Startklasse T64 in 26,58 Sekunden, zur siegreichen Niederländerin Marlene van Gansewinkel fehlten 36 Hundertstel. Die Leverkusenerin hatte in Rio 2016 über 100 m, 200 m und 400 m schon jeweils Silber geholt. Die gebürtige Südafrikanerin Bensusan hatte sich im Alter von 18 Jahren bei einem Hürdensturz schwer verletzt, der rechte Unterschenkel blieb wegen einer Nervenschädigung teilweise gelähmt. Es folgten dunkle Jahre mit Depressionen, der Sport half ihr, aus ihrem von ihr selbst betitelten "schwarzen Loch" herauszukommen. Für die Para-Leichtathletik zog es Bensusan nach Deutschland, 2019 wurde sie Doppelweltmeisterin. Die Chance auf Gold hat sie auch in Tokio noch, am Donnerstag stehen die 100 m auf dem Programm. Außerdem gewann Kugelstoßer Sebastian Dietz am Dienstag für die deutschen Leichtathleten Bronze.

Radfahren: Handbikerin Annika Zeyen hat die vierte deutsche Goldmedaille gewonnen. Die Weltmeisterin aus Bonn siegte im Einzelzeitfahren über 16 km auf dem Fuji International Speedway nach starker zweiter Rennhälfte in 32:46,97 Minuten und holte sich mit 43 Sekunden Vorsprung ihr viertes Edelmetall. Alle vorherigen Medaillen sammelte sie noch als Rollstuhlbasketballerin, 2012 in London gewann sie mit dem deutschen Team Gold.

"Es gibt keine Worte, um das zu beschreiben. Es ist einfach unglaublich, ich hätte damit nicht gerechnet", sagte Zeyen, die erst 2019 zum Radfahren gewechselt war: "In zwei verschiedenen Sportarten Gold bei Paralympics zu gewinnen, ist einfach unglaublich, das kann man nicht toppen."

Erwartungsgemäß hübschten die Radsportler die deutsche Bilanz in Japan am Zeitfahrtag enorm auf. Rio-Champion Vico Merklein gewann Silber und verpasste mit dem Handbike sein zweites Gold bei den Paralympics nur um zwei Sekunden. Die Medaille ist sein insgesamt viertes Edelmetall.

Fahnenträger Michael Teuber und Kerstin Brachtendorf holten jeweils Bronze. Teuber verpasste sein historisches fünftes Gold nacheinander im Zeitfahren nur um fünf Sekunden, holte bei seinen sechsten Spielen erstmals den dritten Platz. "Ich bin stolz drauf, dass ich so stark gefahren bin. Wenn ich auf meine Leistungsdaten schaue, denke ich, dass es das beste Rennen meines Lebens war", sagte der Münchner. Eine Überraschungsmedaille gewann Brachtendorf in der Startklasse C5. Die 49-Jährige holte als Dritte ihr erstes Edelmetall bei Paralympics. Erst drei Wochen vor den Spielen musste sich die Cottbuserin wegen eines Verschlusses der inneren Beckenarterie operieren lassen.

Leichtathletik: Die Kugelstoßer Sebastian Dietz hat die nächste Bronzemedaillen für das deutsche Team geholt. Dietz wurde in der Startklasse F36 trotz Oberschenkelproblemen in Saisonbestleistung von 14,81 Metern Dritter, zum erneuten Gold-Coup wie in Tokio fehlten fast zwei Meter. "Ich bin erleichtert, aber auch glücklich", sagte der 36-Jährige: "Es ist etwas ganz anderes als in Rio. Das hier war sicherlich die schwerste Medaille, die ich mir erkämpft habe. Mental und körperlich war das der schwerste Weg, den ich gegangen bin." Dietz hatte in den vergangenen zwei Jahren sowohl mit Verletzungen als auch mit mentalen Problemen zu kämpfen. Deshalb sei die Medaille "ein Gewinn und keine Niederlage".

Basketball: Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen sind nur noch einen Sieg von einer Medaille entfernt. Das Team um Kapitänin Mareike Miller bezwang Spanien im Viertelfinale souverän mit 57:33 (24:19) und untermauerte nach der ungeschlagenen Gruppenphase eindrucksvoll seine Ambitionen auf die vierte Medaille in Serie. Im Halbfinale am Donnerstag trifft die deutsche Mannschaft auf Gastgeber Japan oder die Niederlande.

"Eine unglaubliche Teamleistung, wir sind überglücklich", sagte Trainer Dennis Nohl: "Die erste Halbzeit hat sich so schwierig gestaltet, wie wir das erwartet haben. Wir haben uns dann in der zweiten Halbzeit auf unsere Stärken konzentriert, haben sie müde gemacht und das hintenraus clever ausgespielt." Beste Werferin war Katharina Lang mit 14 Punkten, Fahnenträgerin Miller steuerte 13 Zähler zum nie gefährdeten Erfolg bei. In der ersten Halbzeit hatte die deutsche Mannschaft offensiv nicht zu ihrem gewohnten Rhythmus gefunden, ging dank starker Defensivarbeit aber dennoch mit einer Führung in die Pause. Im dritten Viertel zog die Mannschaft von Dennis Nohl auf mehr als 20 Punkte davon und verteidigte diesen Vorsprung mühelos.

Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen hatten 2008 in Peking und 2016 in Rio jeweils Silber gewonnen, in London wurden sie Paralympics-Sieger. Die Männer spielen am Mittwoch (8.00 Uhr MESZ) ebenfalls gegen Spanien um den Halbfinaleinzug.

Leichtathletik: Sprinter Felix Streng hat die dritte deutsche Goldmedaille gewonnen. Der 26-Jährige siegte über 100 m in 10,76 Sekunden zwei Hundertstel vor dem Costa Ricaner Sherman Isidro Guity Guity und feierte in der Startklasse T64 den größten Erfolg seiner Karriere. Weltrekordler Johannes Floors holte sich in 10,79 Sekunden zeitgleich mit dem Briten Jannie Peacock Bronze.

"Das ist unglaublich viel wert. Ich habe so viel reingesteckt in dieses Jahr. Ich bin so happy", sagte Streng im ZDF. 2016 hatte er über 100 m Bronze gewonnen, auch über die 200 m am Samstag ist Streng heißer Goldkandidat. Für Floors ist es die erste Einzelmedaille bei Paralympics, über die 400 m geht der Doppelweltmeister und Weltrekordler am Freitag als Topfavorit ins Rennen. Gemeinsam mit Markus Rehm und David Behre gewann das Duo in Rio Gold in der 4x100 m Staffel.

Leon Schäfer holte derweil in der Startklasse T63 seine zweite Medaille der Spiele. Nach Silber in seiner Paradedisziplin Weitsprung gewann der 24-Jährige über 100 m Bronze. Mit einer Zeit von 12,22 Sekunden blieb er sieben Hundertstel unter seiner bisherigen Bestleistung, Sieger Anton Prochorow (Russisches Paralympisches Komitee) war exakt zwei Zehntel schneller.

Reitsport: Dressurreiterin Regine Mispelkamp hat bei ihrer Paralympics-Premiere überraschend die Bronzemedaille gewonnen. Die 50-Jährige aus Geldern belegte in der Kür der Startklasse V auf Highlander Delight's mit 76,820 Punkten den dritten Platz. Zur Siegerin Michele George aus Belgien fehlten der an MS erkrankten Athletin 3,77 Zähler.

"Ich habe es mir gewünscht. Wir haben dafür trainiert, und jetzt ist es endlich wahr", sagte Mispelkamp unter Tränen: "Das Härteste war, mich mit meiner Krankheit zu identifizieren. Aber es hat mich auch angetrieben, den Sport weiterzumachen, weil es mir hilft, meine Stabilität zu halten. Ich gebe mein ganzes Leben dafür." Die zweimalige deutsche Meisterin hatte am vergangenen Donnerstag eine Medaille im Einzel-Wettbewerb noch knapp um 0,214 Punkte verpasst. Zuvor war Saskia Deutz in der Klasse IV auf den sechsten Platz geritten. Die inkomplett querschnittsgelähmte Reiterin lag beim Sieg der Niederländerin Sanne Voets 2,195 Punkte hinter den Medaillenrängen.

Schwimmen: Schwimmerin Verena Schott hat ihre dritte Medaille nur knapp verpasst. Die 32-Jährige kam im Finale über 50 m Schmetterling in 37,03 Sekunden auf Platz vier, zu Bronze in der Startklasse S6 fehlten nur zwei Zehntelsekunden. Zuvor war die Cottbuserin bereits über 200 m Lagen und 100 m Brust Dritte geworden und hatte damit die bislang einzigen Medaillen für die deutschen Schwimmer gewonnen.

"Ich bin mega happy mit meiner Zeit", sagte Schott: "Natürlich ist es schade, dass es am Ende so knapp war. Aber ich hätte nichts besser machen können. Hätte mir vor einem halben Jahr einer gesagt, dass ich über 50 m Schmetterling Vierte werde, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Das hätte ich nie geglaubt."

Goalball: Die hochambitionierten deutschen Goalballer sind überraschend in der Vorrunde ausgeschieden. Der Europameister und Gold-Anwärter verlor am Montag gegen China deutlich mit 3:8 und beendete die Gruppe B aufgrund der schlechtesten Tordifferenz (-7) als Letzter. Alle fünf Mannschaften haben zwei Siege und zwei Niederlagen auf dem Konto.

Die Mannschaft des scheidenden Bundestrainers Johannes Günther war mit einer Gold-Ansage ins Turnier gestartet. Doch die zwei klaren Niederlagen gegen die Ukraine (5:11) und am Montag gegen China bedeuteten das Aus. Gegen die Asiaten traf Michael Dennis zweifach. Der Sieger hatte in Yang Mingyuan, dem sieben Tore gelangen, den überragenden Akteur auf seiner Seite.

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