Süddeutsche Zeitung

Paderborn:David ist durchschaut

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Dem Aufsteiger scheinen schon keine Lösungen mehr einzufallen. Auch der 1. FC Köln überlässt dem SC die Spielgestaltung - und behält die Punkte.

Von Milan Pavlovic, Köln

Der Sonntag war für den 1. FC Köln ein Marketing-Erfolg auf mehreren Ebenen: ein verdienter 3:0-Erfolg gegen einen direkten Rivalen im Abstiegskampf; der Sprung von einem Abstiegsplatz; Werbung für die von FC-Mitarbeitern erstellte Dokureihe "24/7FC", in der nach und nach Momente der Kölner Saison festgehalten werden, im Guten wie im Schlechten. Die ersten drei Halbstünder waren zum Wochenende hin im Netz platziert worden - und das trotz fünf Niederlagen in den ersten sieben Partien.

Da stellte sich die Frage: Wie würden wohl die ersten Doku-Episoden des SC Paderborn aussehen, wenn es sie denn gäbe? Die Ostwestfalen haben nun sieben ihrer ersten acht Aufgaben verbockt, und niemand war froh darüber, dass die Melodie der Erklärungen diesmal anders klang. Hatte der Aufsteiger an den ersten sechs Spieltagen viele Komplimente dafür bekommen, Gegner mit großen Namen phasenweise in Verlegenheit gebracht zu haben (nur 2:3 gegen München und Leverkusen), ohne mit Punkten belohnt zu werden, so zeigte das Team nun schon die zweite bedenkliche Leistung nacheinander. Müßig zu sagen, ob es gegen Mainz (1:2) schlechter war als in Köln: Alarmierend ist die Tatsache, dass Paderborn gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte deutlich besser ausgesehen hat als gegen solche vom Tabellenende. "Die Gegner stehen immer häufiger tief und überlassen uns die Spielkontrolle", sagte Trainer Steffen Baumgart; er klang fast verdrossen. Sein Team kann die David-Rolle nicht mehr einnehmen. Aber sich als Goliath aufzuführen, kann der kleine Klub mit seinen limitierten Ressourcen und Kader-Optionen erst recht nicht.

Auch Köln, das in der vergangenen Saison zwei herbe Zweitliga-Niederlagen gegen Paderborn erlebt hatte (3:5, 2:3), verzichtete diesmal gerne auf Ballbesitz (nur 40 Prozent in einem Heimspiel) und zog sich nach dem frühen 1:0 bald zurück, um zu kontern. "Die machen die äußeren Bahnen zu und nehmen uns die Schnelligkeit", analysierte SC-Kapitän Klaus Gjasula. Im Fußball-Neudeutsch bedeutet das, dass Paderborn schon "decodiert" ist und dem Trainerteam noch keine neuen Lösungen eingefallen sind. Steffen Baumgart hatte seine Formation zwar leicht verändert, aber der gewünschte Effekt blieb aus. "Wir haben uns viel vorgenommen und viel probiert, aber gefühlt haben wir nicht einen Schuss aufs Tor gebracht", sagte er.

Einen vielversprechenden Versuch von Linksverteidiger Gerrit Holtmann, der kurz nach der Pause das 1:1 bedeutet hätte (und den Timo Horn gerade noch abwehrte), verschwieg Baumgart, denn es ging ihm ums Grundsätzliche: "So kann man kein Spiel gewinnen." Da hatte der Coach völlig Recht, zumal einige Spieler weit unter ihren ohnehin begrenzten Möglichkeiten blieben, zum Beispiel Torwart Leopold, der beim Kölner 2:0 wie in Superzeitlupe nach dem Ball tauchte und ehrlich zugab: "An einem besseren Tag halte ich den."

Kapitän Gjasula gestand, dass die Punktesituation hemme: "Jetzt fängt es auch im Kopf an." Er proklamierte, man brauche jetzt "einfach den ersten Sieg: Wenn der kommt, gehen die Köpfe nach oben und bleiben dort auch". Baumgart, der an den ersten Spieltagen seinen Kopf immer oben trug, ehe er ihn in Köln auffällig oft und tief sinken ließ, klang weniger kämpferisch: "Wir drehen uns im Kreis und machen Fehler in den entscheidenden Momenten. Ich bin in der Verantwortung, Lösungen zu finden." Das muss freilich rasch geschehen, denn die Aussicht auf das Programm der kommenden Wochen ist auch deshalb so einschüchternd, weil es in drei der nächsten vier Spiele gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte geht. Am Samstag schon gegen Düsseldorf, das bekanntlich am liebsten die David-Nummer abzieht.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2019
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