Süddeutsche Zeitung

Ortstermin im Autohaus:Thomas Häßler wird Bezirksliga-Trainer

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Von Javier Cáceres

Ob's etwas gibt, das weiter weg wäre als jener italienische Sommer, den Gianna Nannini und Edoardo Bennato 1990 besangen, und der ja irgendwie auch derjenige des Thomas Häßler war?

Montagmorgen im Berliner Stadtteil Französisch-Buchholz, jottwede, also janz weit draußen, wie der Berliner sagen würde. Der Himmel droht Regen an, und ein steifer Wind strafft die Fahnen mit den Logos der Fahrzeuge, die im Innern eines Autohauses feilgeboten werden, in dem eine, nun ja, frappierende Personalie verkündet werden soll: Club Italia Berlino '80, 301 Mitglieder, zwei Herren- und eine Ü40-Mannschaft, derzeit Viertletzter der dritten Staffel der Berliner Bezirksliga, stellt den künftigen Cheftrainer der ersten Mannschaft vor: Häßler eben, mittlerweile 49 Jahre alt und auf ewig 101-maliger Nationalspieler, zweimal Fußballer des Jahres, 1996 Europa- und vor allem 1990 Weltmeister. Häßler zwängt sich in einen Fiat 500 Topolino, feixt ein wenig ("genau meine Größe"), setzt sich routiniert auf ein Podium. Er sagt: "Es ist eine sehr reizvolle Aufgabe."

Natürlich hängt eine Frage im Raum, die keiner der gut 20 Journalisten stellt, weil sie entwürdigend wäre: Ob's eigentlich tiefer geht als in die achtklassige Liga. Nach seiner aktiven Zeit als einer der fantasievollsten Mittelfeldspieler seiner Zeit (unter anderem Köln, Juventus Turin, AS Rom) wurde seine Karriere kurvenreicher als die Beine seines Freundes und ehemaligen Nationalelfkollegen Pierre Littbarski, der ihm gratuliert habe zum neuen Job, "darüber habe ich mich sehr gefreut".

Im Iran wartete Häßler sieben Monate auf das Gehalt

Häßler war schon Techniktrainer beim 1. FC Köln, Assistent von Berti Vogts bei der nigerianischen Nationalelf, zuletzt quittierte er seinen Dienst als Co-Trainer beim nordostiranischen Erstligisten Padideh Maschad: Nach sieben Monaten war er es leid, auf das Gehalt zu warten. Neulich wurde als Fakt vermeldet, er würde Nationaltrainer des Libanon, doch das zerschlug sich. Häßler zog stattdessen ins rheinische Hennef, erinnerte am Rande von Legenden-Hallenturnieren an seine Existenz und sinnierte, ob es besser wäre, nach München oder nach Berlin, die Geburtsstadt des "Icke", weiterzuziehen.

"Ich und meine Frau entschieden uns für Berlin", sagt Häßler, weil da ja auch der beste Kumpel aus Jugendtagen lebe, immer noch, und weil es ihn "zurück zu den Wurzeln" gezogen habe. Club Italia '80 passt da schon, ein im längst vergessenen West-Berlin gegründeter Verein, der ab und zu mal hoch hinaus wollte, Herthas langjährigen Torwarttrainer Nello Di Martino oder den früheren Hertha-Stürmer Fredi Bobic als vorgebliche Galionsfiguren installierte. "Ich bin happy, dass ich wieder was zu tun haben kann", sagt Häßler, "das Angebot war in Ordnung." Was immer das bei einem Achtligisten heißt.

Seinen Trainerjob wird Häßler erst im Sommer aufnehmen; vorerst firmiert er offiziell als Klub-"Botschafter". Er hat noch vertragliche Verpflichtungen zu erledigen: Eine Tanz-Show bei RTL ist dabei, und auch bei Vox tritt er auf, als Promi einer Sendung, deren Titel traurig macht, wenn man ihn heuer sieht, so abgekämpft, so müde, und dennoch Haltung wahrend. "Ewige Helden", lautet nämlich der Titel, und man dachte mal, "Icke" wäre wirklich einer.

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SZ vom 09.02.2016
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