Süddeutsche Zeitung

Olympische Spiele 2008:Wie es Peking nicht gefällt

Lesezeit: 3 min

Olympia in Chinas Parteidiktatur naht - und die Konflikte gewinnen an Kontur. So steigt Steven Spielberg als künstlerischer Berater aus und die Marathon-Läufer testen Atemmasken.

Thomas Hahn

Die U-Bahn-Linie 10 zum Beispiel passt gut ins Bild des neuen Chinas, deshalb bekommt sie auch einen schönen Nachrichtenplatz auf der Website des Organisations-Komitees für Olympia in Peking (BOCOG). Die U-Bahn-Linie 10 wird ab Juni nämlich auf 57 Kilometern 45 Stationen der Hauptstadt verbinden. Das ist mindestens so brisant wie die Meldung auf der gleichen Seite mit dem Titel "Pekinger Bürger erzählen Reportern ihre Geschichten", in der es vor allem um den Stolz besagter Bürger auf den rasanten Wandel in ihrer Heimat geht. Und dass sich das Olympische Museum in Lausanne derzeit mit China beschäftigt, ist natürlich auch interessant.

Jene Olympia-Nachricht allerdings, welche in dieser Woche um die Welt geht, findet sich nirgends in Olympia-Pekings buntem Internet-Auftritt. Nicht einmal in der Online-Fassung der einzigen englischsprachigen chinesischen Tageszeitung China Daily, die sich als die "Stimme Chinas" sieht, kann man nachlesen, dass der amerikanische Filmemacher und Oscar-Preisträger Steven Spielberg aus politischen Gründen als künstlerischer Berater der Spiele zurückgetreten ist.

Eine Überraschung ist diese eigenwillige Nachrichtenauswahl nicht. Die Olympischen Spiele dieses Sommers in Peking sind nun mal eine Veranstaltung, die in erster Linie die Vorzüge Chinas betonen soll. Und in diesem Sinne hatte sich Steven Spielberg nunmal gar nicht geäußert, als er den Grund für seine Demission erklärte: Chinas Sudan-Politik, die darin besteht, einen regen Öl- und Waffen-Handel mit dem Khartoum-Regime zu treiben und es trotz seines menschenrechtsfeindlichen Vorgehens im Darfur-Konflikt mit 400.000 Toten seit 2003 zu verteidigen.

"Sudans Regierung trägt die Hauptverantwortung für die anhaltenden Verbrechen", sagt Spielberg, "aber die internationale Gemeinschaft, und besonders China, sollten mehr tun, um das anhaltende Elend dort zu beenden. Chinas wirtschaftliche, militärische und diplomatische Verbindungen zur Regierung des Sudan bieten China weiterhin die Möglichkeit und die Verpflichtung, auf Wandel zu drängen." Das gefällt den chinakritischen Menschenrechtlern. Und China gar nicht.

Die Spiele rücken näher, ein knappes halbes Jahr ist es noch hin, bis das olympische Feuer im prunkvollen Olympiastadion erleuchtet. Längst gibt es die ersten Traumbilder vom olympisch aufgehübschten Peking; vor zwei Wochen erst bestaunte die Welt den sogenannten Wasserwürfel, die visionäre neueröffnete Schwimmhalle. Aber gleichzeitig wird auch immer deutlicher, wie konfliktreich und problembeladen das olympische Engagement in der Parteidiktatur ist.

Die Spiele sollen mit Politik nichts zu tun haben, wünschen sich jene, die sich ganz auf das Vergnügen der Wettkämpfe konzentrieren wollen oder auf die wirtschaftliche Kraft des Großereignisses. Kein Konflikt möge die Party stören. Aber schon die Tatsache, dass auch Chinas Herrscherriege Olympia der Welt als unpolitisches Ereignis verkaufen will, ist hoch politisch: Der Sport soll ablenken von mancher Schieflage, die aus Sicht bekennender Demokraten entsteht, wenn alle Macht von oben kommt.

Dicke Luft, schlecht fürs Image

Das Britische Olympische Komitee (BOA) hat diese Woche schon erfahren, dass es im Westen schlecht funktioniert, sich ganz aus dem politischen Konfliktfeld zu bewegen. Seinen Athleten hat BOA einen Vertrag vorgelegt, der international gängige Instruktionen zum Verhalten bei Olympia enthielt; Kommentare zu politisch sensiblen Themen oder religiöse Propaganda sind demnach auf den Spiele-Schauplätzen verboten. Schon machte das Missverständnis die Runde, BOA wolle seinen Athleten eine Meinung verbieten. Schnell stellte BOA-Sprecher Graham Newsom klar, ein Redeverbot gebe es nicht. "Die Wirklichkeit ist, dass wir geschichtsbedingt sehr starke unabhängige Sichtweisen haben."

Dass die ausländische Olympia-Prominenz meinungsfest ist, spüren die Chinesen schon lange, vor allem wegen der Luftverschmutzung, welche die Ausdauersportler immer noch umtreibt. Anfang Februar saß Marathon-Weltrekordler Haile Gebrselassie bei einer Pressekonferenz in Peking und konnte den Gastgebern nicht den Gefallen tun, die Umweltbedingungen fürs Laufen günstig zu nennen.

Im Gegenteil, Gebrselassie, 34 und Asthmapatient, will überlegen, ob er seinen Olympia-Auftritt wegen der schlechten Luft und Pekings schwüler Sommerhitze nicht lieber auf die 10.000 Meter verlegt: "Es hängt nur von Temperaturen und der Luftverschmutzung ab. Vor allem von der Luftverschmutzung."

Chinas Regierung hat sich längst eine strengere Umweltpolitik verschrieben, wird für Olympia wohl Fahrverbote verhängen und Fabriken abschalten. Aber gut für Chinas Image ist es nicht, dass die Ausdauerszene mit Eifer über Smog-Schutzmaßnahmen spricht, jemand wie Großbritanniens Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe eine von der Uni Brunel entwickelte Leichtgewichtsatemmaske getestet hat, oder der amerikanische Marathon-Experte David Martin mit Blick auf die notwendige Luftreinigung in Peking raunt: "Wenn jeder mit verengten Bronchien abstürzt, hat das mit Sport nichts mehr zu tun."

Und ganz nebenbei ist es auch keine Werbung für die olympische Bewegung, die als Kriterium für Spiele-Ausrichter eigentlich strenge Umweltauflagen verlangt. Trotz der zweifellos beachtlichen U-Bahn-Linie 10.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2008
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