Süddeutsche Zeitung

Olympische Sommerspiele 2016:Rio ist pleite - Notstand soll Olympia retten

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Die Staatskasse ist leer, die Party soll trotzdem steigen: Sieben Wochen vor Beginn der Olympischen Sommerspiele (5. bis 21. August) hat Interims-Gouverneur Francisco Dornelles am Freitag für das Bundesland Rio de Janeiro den "Öffentlichen Notstand auf dem Gebiet der Finanzverwaltung" ausgerufen. Der Landeschef bedient sich der politischen List, um die Spiele in der Landeshauptstadt Rio zu retten.

Der Taschenspieler-Trick funktioniert auch: Denn der Bund hat dem klammen Land, das in der schweren Wirtschaftskrise kräftige Einbußen bei der Umsatzsteuer und sonstigen Gebühren für Erdölförderung vor der Küste verzeichnet, umgehend rund 740 Millionen Euro in Aussicht gestellt, um die für den Transport während der Spiele wichtige U-Bahnlinie 4 von der Südzone zum Olympia-Herz Barra da Tijuca zu Ende bauen zu können. Darüber hinaus werden mit der Finanzspritze vorerst Überstunden der Polizei und Gehälter der Beamten bezahlt. Ob den Staatsdienern damit die Lust auf Streik und Demonstration genommen wurde, bleibt abzuwarten.

Eigentlich wird der öffentliche Notstand in Brasilien im Regelfall nur bei Naturkatastrophen angewendet, um betroffenen Regionen schnelle und unbürokratische Hilfe zukommen zu lassen. Verfassungsrechtler haben deshalb schon die Rechtmäßigkeit des Pleite-Dekrets für Rio und die Sommerspiele in Frage gestellt. Professor Rafael dos Santos von Landes-Universität Rio (UERJ) vermutet hinter dem Schachzug ein abgekartetes Spiel, da Staatspräsident Michel Temer, der die wegen eines Amtsenthebungsverfahrens derzeit kaltgestellte Regierungschefin Dilma Rousseff vertritt, vergangene Woche auf Olympia-Inspektion in Rio weilte und andere ebenfalls klamme Bundesländer keine Hilfe "von oben" erhalten.

"Das sieht nach Absprache mit der Bundesregierung aus. Der Präsident erkennt die Handlungsunfähigkeit an, garantiert deshalb Zuschüsse für die Durchführung der Spiele", sagte der Experte für Öffentliche Verwaltung gegenüber dem Internetportal UOL. Die Verordnung gibt der Landesregierung kurzfristig einen Freibrief, um Kredite ohne Bewilligung des Parlaments aufzunehmen oder "außergewöhnliche Maßnahmen" zu trefffen. Welche das sind, bleibt unklar. Zumal das Land auch Basisdienste wie Gesundheit, Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie öffentliche Sicherheit oder Verkehr nicht mehr garantieren kann.

Klar ist jedoch: Die Rechnung bezahlt der Steuerzahler. Woher der Bund, selber hoch verschuldet, das Geld überhaupt nehmen will, wurde ebenfalls nicht detailliert dargelegt.

Rios lokales Organisationskomitee reagierte dennoch gelassen. "Für uns ändert sich nichts. Wir arbeiten mit der Landesregierung tagtäglich zusammen und wissen schon seit Monaten um die finanziellen Schwierigkeiten. Seit langer Zeit handeln wir schon Alternativen aus, damit das Land seine für Rio 2016 übernommene Verantwortung erfüllen kann", erklärte Kommunikationsdirektor Mario Andrada.

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