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Olympia:Serientäter an der Platte

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Rekord für Boll und Ovtcharov: Deutschlands Tischtennis-Männer erreichen zum vierten Mal nacheinander das olympische Team-Halbfinale. Auch die Frauen kämpfen weiter um die Medaillen.

Von Ulrich Hartmann, Tokio/München

Diesen Rekord haben Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sogar jedem Chinesen voraus: Zum vierten Mal nacheinander sind Deutschlands beste Tischtennisspieler ins Halbfinale des olympischen Team-Wettbewerbs eingezogen. 2008 holten die beiden zusammen mit Christian Süß Silber, 2012 und 2016 gewannen sie mit Bastian Steger Bronze. Diesmal heißt ihr dritter Mann Patrick Franziska, und das deutsche Trio trifft an diesem Mittwoch (12.30 Uhr) im Halbfinale auf Gastgeber Japan. Im Erfolgsfall geht es am Freitag um Gold - wohl gegen China. Im Misserfolgsfall geht es am Freitag um Bronze - wohl gegen Südkorea.

Für Ovtcharov wäre es schon die sechste olympische Medaille seiner Karriere. Das wäre eine mehr als der Chinese Wang Hao zwischen 2004 und 2012 gewann (zwei goldene, drei silberne). Ma Long könnte nach diesen Sommerspielen sogar mit fünf olympischen Goldmedaillen dastehen, aber sechs olympische Medaillen besitzt bislang kein einziger Tischtennisspieler auf der ganzen Welt. Das hätte Ovtcharov exklusiv.

Die Chinesen haben den erst seit 2008 olympischen Team-Wettbewerb zwar bisher jedes Mal gewonnen - aber in wechselnden Besetzungen. Ma Long ist zum dritten Mal dabei, Xu Xin zum zweiten Mal. Eine vierte Team-Medaille wird keiner von ihnen schaffen. Insofern könnten Ovtcharov und Boll ihnen am Freitag auch dies voraus haben.

Doch das Halbfinale gegen Japan dürfte noch schwieriger werden als das nur knapp mit 3:2 gewonnene Viertelfinale gegen Taiwan. Ovtcharov unterlag Lin Yun-ju, den er im Bronze-Match des Einzelwettbewerbs vier Tage zuvor noch 4:3 besiegt hatte, in 2:3 Sätzen. Franziska verlor gegen Lin sogar 0:3. Dass das deutsche Trio dennoch triumphierte, lag an den souveränen Siegen vom Doppel Franziska/Boll (3:1 gegen Chen/Chuang) sowie im Einzel von Boll (3:0 gegen Chen) und Ovtcharov (3:0 gegen Chuang). Im finalen Match demoralisierte Ovtcharov mit Chuang jenen Taiwaner, gegen den er bereits 2012 in London das Bronze-Match im Einzel gewonnen hatte.

Der Triumph einer sechsten olympischen Medaille wäre für den 32 Jahre alten Wahl-Düsseldorfer eine große Sache, das emotionale Erlebnis gegen Japan eine andere: "Es wäre überragend, dieses Spiel in einer vollen Halle zu erleben - und zu gewinnen", sagte Ovtcharov. Doch das Tokio Metropolitan Gymnasium wird in Wahrheit auch am Mittwoch nahezu leer sein. Die drei besten japanischen Spieler Tomokazu Harimoto (Weltranglistenplatz 4), Koki Niwa (16) und Jun Mizutani (20) werden gegen Ovtcharov (8), Boll (10) und Franziska (17) keinen atmosphärischen Heimvorteil genießen. 2008 in Peking gewann das deutsche Trio sein Halbfinale gegen die Japaner, 2016 in Rio verlor es das Halbfinale gegen sie. Nun folgt die dritte Prüfung.

Boll, 40 Jahre alt und zum sechsten Mal bei Olympia, kann das Bedauern des Kollegen Ovtcharov über die leeren Ränge kaum nachvollziehen: "Zum Glück haben wir keine zehntausend Zuschauer gegen uns", sagt er. Insgeheim träumt das deutsche Trio von einer Finalsensation gegen China. Fan Zhendong, Ma Long und Xu Xin wirken anders als in den vergangenen Jahren ein bisschen anfälliger. Ovtcharov hat das bei seinem 3:4 im Einzel-Halbfinale gegen Ma Long gespürt. Fan Zhendong hat gegen Taiwans Lin ebenfalls sieben Sätze gebraucht. Olympisches Gold hat es für das deutsche Tischtennis bislang noch nie gegeben.

Auch die deutschen Frauen haben als Team zum zweiten Mal nacheinander das Halbfinale erreicht. 2016 trafen sie in Rio erst im Finale auf die dominanten Chinesinnen und freuten sich über Silber. Diesmal geht schon das Halbfinale am frühen Mittwochmorgen (3 Uhr) gegen China. Das könnte für Petrissa Solja, Han Ying und Shan Xiaona ein Bronze-Match am Donnerstag gegen Hongkong bedeuten. Eine zweite olympische Team-Medaille wäre ein riesiger Erfolg.

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