Süddeutsche Zeitung

Olympia:Die scheiternden Spiele

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Corona-Ängste und Meinungsverbot: Zwei Wochen vor Beginn drohen die Olympischen Spiele in Peking zur Farce zu werden. Es wird eine Reise in ein Land, in dem man sich nicht willkommen fühlt.

Kommentar von Volker Kreisl

Das Feuer ist wichtig, es ist vielleicht das bedeutendste Symbol, das vom Internationalen Olympischen Komitee auch sorgfältig gepflegt wird. Das Feuer steht für den Olympischen Geist und für die Völkerverständigung, es wird mit einer Fackel durchs ganze Land der jeweils aktuellen Spiele getragen. Nun aber ist es nur noch ein Feuerchen, der Fackellauf im Olympialand China dauert nur drei Tage und findet fast ohne Zuschauer statt.

Erwärmen können sich daran ohnehin nur noch die ganz idealistischen Teilnehmer und Beobachter dieser Spiele in Peking 2022. Für viele Athleten und Athletinnen und die meisten professionellen Beobachtenden stellen sie, zwei Wochen vor Beginn, zum Großteil nur noch ein Ärgernis dar. Es wird eine Reise in ein Land, in dem man sich nicht willkommen fühlt, niemanden kennenlernt und ständig in Sorge lebt vor einer tagelangen Isolation. Viele empfinden es also als unheimlich, nach China reisen zu müssen, und sind froh, wenn sie schnell wieder im Flieger nach Hause sitzen. Ein schlimmeres Zwischenfazit ist vor Olympia kaum denkbar.

Dabei hätte sich womöglich ein Ausweg ergeben. Anfang Januar wurde über eine Verschiebung der Spiele um ein Jahr entschieden, jedoch - obwohl sich die Omikron-Variante des Coronavirus da schon verbreitete -, hielten Peking und das IOC an dem Termin fest. Also wird Olympia nun nicht zelebriert, sondern mit allen Mitteln durchgezogen.

Zu einem olympischen Auftritt zählt auch die freie Rede des Athleten danach

Trotz der Bemühungen seitens der offiziellen Vertreter Olympias hängen Schatten über diesen Spielen. Das olympische Blasensystem soll angeblich dicht sein, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis Omikron wie all die anderen Großveranstaltungen dieser Tage bald auch die Spiele befällt. Schon die Anreise stellt ein Einfallstor dar, denn der Olympiatross aus Athleten, Technikern, Funktionären und Medien fliegt in besonderen, extra gecharterten Maschinen. Schwer zu glauben, dass nicht auch Omikron dabei ist und somit auch der Zufall über Startlisten und Siegerpodien entscheidet.

Für Teilnehmer wie den Biathleten Benedikt Doll muss es ernüchternd sein, nach seinen geplant letzten Olympia-Rennen das Gefühl einer geraubten Chance oder einer geschenkten Medaille mitzunehmen. Und doch betrifft dies nur die Sportaktivität. Zu einem Auftritt, der olympisch sein soll, gehört aber noch viel mehr, zum Beispiel die freie Rede hinterher über die Form, die Gegner, das Pech, etwa am Schanzentisch, oder auch das Umfeld und die Frage, was einen stört und ob man sich denn wohlfühlt.

Diesbezüglich haben diese Woche alle, die auch bei Olympia auf ihre freie Meinungsbildung setzten, einen schweren Rückschlag erlitten. Denn Peking hat zwischendurch klargemacht, dass jegliche Kritik "am olympischen Geist, besonders gegen chinesische Gesetze und Regularien" Bestrafungen nach sich ziehe. Ob dies vielleicht deplatziert oder gar nicht so strikt gemeint war, muss nicht diskutiert werden. Denn die Wirkung entfaltet sich ohnehin. Kein Olympiavertreter will zusätzlichen Ärger in diesen Tagen - der Verein Athleten Deutschland rät bis auf Weiteres von Meinungsäußerungen ab.

Den meisten Olympia-Athleten sind solche Hinweise fremd, viele dürften bei ihrem Auftritt in Peking verunsichert sein, der Aufwand bleibt gewaltig, und die ganze Veranstaltung droht zur Farce zu werden. Es wäre tatsächlich besser gewesen, die Spiele wie jene im Sommer in Tokio um ein Jahr zu verschieben. Wobei, der Name der mit aller Macht durchgezogenen Wettkämpfe passt nicht mehr so recht. Denn diese "Spiele" werden ernst.

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