Süddeutsche Zeitung

Olympia im Fernsehen:Zu uncool für die Freestyle-Szene

Lesezeit: 2 min

Die Wettbewerbe der Freestyler bei Olympia sind spektakulär. Jetzt müsste man nur noch die Kommentatoren verstehen. Ein TV-Run in der Transition mit dem Straight air truckdriver landet im Flat.

Von Thomas Hummel

Olympische Winterspiele sind ein Tor in eine neue Welt. Nicht, dass der Fernseh-Zuschauer viel über den Ort Pyeongchang erfahren würde (oder, wie der gemeine Feinripp-Träger sagt: "Pongtschang"). Gemeint sind zum Beispiel ferne Planeten, in denen Sportler auf Skiern in einer Art Riesen-Badewanne die Ränder hinauffahren, sich dort oben in die Luft katapultieren und die aberwitzigsten Kunststücke vorführen. Um wieder in der Bandewanne zu landen und dann, schwupps, zum anderen Rand hinüber rasen, zum nächsten Luftsprung. Sie tragen dabei zu große Jacken mit Kapuzen, Morf-Schals bis zur Nase und bunt reflektierende Riesen-Skibrillen. Wobei das Äußere kein Problem ist, man ist ja heutzutage tolerant.

Beim Wettbewerb der Ski-Freestyler in der Halfpipe fühlt sich der Otto-Normal-Alpin-Biathlon-Skisprung-Deutsche vor allem durch die Sprache diskriminiert. Sie ist schon immer ein Mittel, um sich als Gruppe zu definieren und andere auszugrenzen. Oder versteht irgendwer diese IT-Menschen? Oder Marketing-Leute? So ist das auch in der Freestyle-Szene. Die Moderatoren von ARD und Eurosport könnten da als verbindendes Glied wirken. Als Türöffner für das deutsche Bob-Rodel-Kombinierer-Publikum hinein in dieses fetzige, leichtlebige, waghalsige Universum.

An dieser Aufgabe scheitern sie allerdings. Oder war es gar nicht gewollt, dass hier irgendjemand was versteht?

Sonst ist der Crash close

Beim Freestyle macht niemand eine zwei- oder dreifache Drehung. Sondern einen Five-fourty. Oder One-eighty. Oder ninehundred. Besser gesagt: einen Switch five-fourty, oder double cork ninehundred. Ein Ten-eighty ist was ganz Tolles, denn da jubelt das (offenbar sehr fachkundige) Publikum. Im Frauen-Wettbewerb gab's außerdem einen "nute grab flair", einen "Alley-oop seatback grab" und dann - ganz toller Name! - einen "Straight air truckdriver". Die unbekannten Wörter verwirren so, dass sich niemand mehr auf die wirklich tollen Fahrten der Athleten konzentrieren kann.

Kein Athlet macht einen Überschlag oder greift sich beim Sprung schlichtweg an die Ski. Überraschenderweise gibt es weder bei ARD noch bei Eurosport Kampfrichter oder Wertungsrichter - sondern überall "Judges" (für die Feinripp-Klientel hier in Lautsprache: dschadsches). Die dschadsches bewerten auch keinen Lauf, sondern einen Run. Am wichtigsten sind aber eh die "Basics": Nämlich wie die Athleten in die "Transition" (transischn) kommen, dass sie genug "Airtime" (ärtaim) haben und vor allem nicht im "Flat" (flät) landen. Sonst ist der Kräsch, äh "crash", nämlich nicht weit. Beziehungsweise "close".

Nun ist das natürlich alles cool und die Freestyler sind eh alle easy. Sabrina Cakmakli vom SC Partenkirchen ist tolle Achte geworden im Halfpipe-Finale und hat trotz eines blöden Kräschs, äh Sturzes, danach noch gelacht. So richtig uncool findet sie allerdings, dass sie zum Training immer ins Ausland fahren muss - weil's in Germany keine einzige Eis-Badewanne auf Weltniveau gibt. Der Deutsche Ski-Verband investiert viel zu wenig Geld in die Freestyle-Sportarten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die zumeist etwas älteren Funktionäre und Funktionärinnen genauso ratlos vor dem Fernseher sitzen, wie alle anderen Feinripp-Deutschen.

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