Süddeutsche Zeitung

Niederlage gegen Manchester City:Bayern verteilen Almosen

Lesezeit: 3 min

Das Achtelfinale fest gebucht, unterläuft den Bayern ein fehlerhafter Champions-League-Abend. Benatia, Alonso und Boateng beschenken Manchester City, das vom Weiterkommen träumen darf. Trainer Guardiola ist trotzdem "sehr, sehr, sehr stolz".

Von Jonas Beckenkamp, Manchester

Es weihnachtet gewaltig in Manchester, dabei fehlen zum Fest der Liebe noch fast vier Wochen. Die Briten nehmen's nicht so genau mit den kalendarischen Koordinaten, Hauptsache die ersten Christbaum-Ungetüme lassen sich schon in die Innenstadt pflanzen. Hauptattraktion auf dem "Christmas Market": Plüsch-Rentiere mit Knollnase, die aussehen, als hätten sie zu viel Punsch getrunken.

Wenn nicht alles täuscht, ließ sich auch der FC Bayern diesmal von der allgemeinen Feierstimmung anstecken. Die Münchner verteilten beim 2:3 (2:1) gegen ManCity artig Geschenke, die den Briten unverhofft die Chance aufs Weiterkommen ermöglichen.

Wie der argentinische Stürmer Sergio Agüero gleich dreimal mitten durch die bayerische Türsteher-Fraktion um Medhi Benatia, Jérôme Boateng und Dante hindurchstechen konnte, wollte sich hinterher keiner so recht erklären. Kompliziert sah es aber nicht aus. Torwart Manuel Neuer sprach bei der Analyse die Geschenke-Theorie am deutlichsten aus: "Die Niederlage ist sehr ärgerlich, denn es waren alles Gegentore, die wir selbst fabriziert haben."

Sein Kollege Rafinha hatte es ähnlich beobachtet: "Es waren drei Fehler von uns, die zu Toren geführt haben." Wo derartige Kalamitäten passieren, lohnt sich eine Spurensuche.

20. Minute, 0:1: Als ein langer Ball zu Agüero gelangte, trabten Boateng und vor allem Benatia nur hinterher. Der Marokkaner verlor im Sprint so viele Meter, dass am Ende nur noch eine Notgrätsche half - es gab Rot und einen Elfmeter, den Agüero wuchtig verwandelte. Das Kuddelmuddel in der Defensive versuchte Pep Guardiola darauf mit der Einwechslung von Dante und der Umstellung auf eine Dreierkette in den Griff zu bekommen. Das klappte ganz gut.

Bis zur 85. Minute, dem Zeitpunkt des 2:2: Beim Ausgleich der Engländer verfestigte sich der Eindruck, dass selbst der stets seriöse Xabi Alonso ein wenig teilen wollte. An seinem 33. Geburtstag gab er dem Gegner im Stile eines spendablen Party-Gastgebers einen aus. Und zwar in Form eines Pass-Unglücks in der Vorwärtsbewegung, welches Agüero den nächsten Paradelauf ermöglichte. Der Argentinier hätte an diesem Tag wohl auch Usain Bolt von der 100-Meter-Bahn gefegt, so zackig zog er davon, ehe er locker einschob. Dass Dante und Boateng nicht folgen konnten, führte der Brasilianer auf "fehlende Konzentration" zurück. Akutes Schneckentempo wäre aber auch keine falsche Erklärung gewesen.

Es folgte noch ein letzter Höhepunkt - 91. Minute, 2:3: Der Moment, als die Bayern endgültig Zweifel aufkommen ließen, ob sie es mit diesem für sie unbedeutenden Spiel überhaupt ernst meinten. Diesmal überraschte Boateng mit der Sorte von Aussetzer vor dem Sechzehner, die bei ihm eigentlich aus dem Repertoir verschwunden waren. Er vertändelte ohne Not gegen Agüero, der wieder durch die Mitte flitzte und sein Glück kaum fassen konnte.

Boateng tat seine Aktion hinterher "leid für die Mannschaft". Solche Fehler würden "normalerweise nicht passieren". Aber was war schon normal an diesem Abend der Almosen?

Dazwischen hatten die Bayern übrigens ein ansprechendes Auswärtsspiel gezeigt. Sie wirkten in Unterzahl deutlich überlegen, ließen hübsch das Bällchen kreisen, schickten den Gegner mit gewiefter Guardiola-Raumaufteilung ins Leere. Und erzielten zwei Treffer. Erst narrte Alonso die kaum ernst gemeinte Mauer der Engländer inklusive Torwart Joe Hart mit einem Flachschuss bei einem Freistoß (40.). Dann vollbrachte Robert Lewandowski das Kunststück, erst City-Verteidiger Bacary Sagna dezent wegzurempeln und schließlich per Kopf zum 2:1 einzuköpfeln (45.).

Aus dieser Kausalkette ergab sich am Ende eine immer noch akzeptable Pleite für die Münchner. Auch wenn es die erste seit 18 Spielen (seit dem verlorenen Supercup gegen den BVB) war - es ist ja nicht viel passiert. Selbst Guardiola wollte trotz leichter Irritation nicht allzu sehr schimpfen. Eine dreifache Betonung ("sehr, sehr, sehr") war es dem Trainer wert, seinen "Stolz" auf die Mannschaft auszudrücken. "Wir haben lange Zeit mit zehn Spielern, aber trotzdem mit großer Persönlichkeit gespielt. Wir hatten viel Ballbesitz, haben dominiert und waren aggressiv", so sein Fazit.

Und dann fasste er das Geschehen nochmal in aller Deutlichkeit zusammen, diesmal für die anwesenden englischen Zuhörer: "When you play shit, you play shit, but today: We didn't play shit." Ansichtssache natürlich. Aber das durfte so kurz vor dem Weihnachtsfest auch mal gesagt werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2238642
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/jbe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.