Süddeutsche Zeitung

American Football:Der Touchdown des Gladiators

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Von Tim Brack

Was nur wenige Minuten zuvor passiert war, konnte Football-Profi Vita Vea selbst nach dem Abpfiff noch nicht ganz fassen. "Ich habe gepunktet?", fragte der Abwehrmann der Tampa Bay Buccaneers und lachte: "Ich dachte, es sei ein Traum gewesen." Vea hatte allen Grund für seinen kurzzeitigen Realitätsverlust. Beim 35:22-Sieg bei den Atlanta Falcons hatte er seinen ersten Touchdown in der US-Profiliga NFL erzielt. Eine solche Premiere ist zwar für jeden Footballer etwas Besonderes, doch nicht allein für Veas Fassungslosigkeit verantwortlich.

Denn eigentlich widerspricht es den üblichen Mustern dieses Spiels, dass einem wie Vea ein Touchdown gelingt. Er misst 1,93 Meter, ist 157 Kilogramm schwer und läuft als Defensive Tackle auf. Er ist einer dieser muskelbepackten Gladiatoren, die im Zentrum der Abwehrreihe stehen und ihre Kilos in den Kampf mit dem Gegner werfen.

Veas Touchdown bescherte ihm neben viel Freude auch einen Rekord: Der Sohn tongaischer Einwanderer ist nun der schwerste Spieler, der in der Geschichte der NFL einen Touchdown gefangen hat. Mindestens so beeindruckend wie sein Gewicht ist übrigens sein kompletter Name: Tevita Tuliʻakiʻono Tuipulotu Mosese Vaʻhae Fehoko Faletau Vea.

"Als ich den Ball fing, habe ich mich auf einen Einschlag eingestellt"

Der Buccaneers-Profi löste Dontari Poe als Rekordhalter ab. Poe hatte vier Jahre und zwei Tage vor Vea einen Touchdown für die Kansas City Chiefs erzielt. Sein Kampfgewicht damals lag nur ein Pfund unter dem von Vea. 450 Gramm, die die Welt bedeuten. Es gibt einen noch schwereren Spieler, der einen Touchdown erzielte: Akiem Hicks von den Chicago Bears. Der Unterschied liegt in der Art, wie die Touchdowns zustande kamen. Hicks war 2018 in einem Laufspiel gegen die New York Giants wie eine Art Rammbock in die Endzone eingedrungen - das ist durchaus die logische Variante, wenn ein solches Schwergewicht schon mal in der Offensive eingesetzt wird. Vea schmiss sich aber nicht ins Getümmel, er fing einen Pass von seinem Quarterback Jameis Winston.

Es war ein Spielzug, der am letzten Trainingstag vor der Partie einstudiert wurde. Vea wurde einen Yard vor der Endzone als Blocker eingesetzt. Offizielles Aufgabenprofil: einen gegnerischen Spieler daran hindern, zum Quarterback zu kommen. Doch Vea dachte nicht dran, irgendjemanden den Weg zu versperren und bewegte sich, so elegant, wie das mit 157 Kilo Körpergewicht eben möglich ist, in die Endzone. Dort fand ihn Quarterback Winston mit einem punktgenauen Wurf. "Der Pass war perfekt", sagte der 24-Jährige, "ich musste nicht springen oder mich strecken, der Ball kam einfach zu mir. Ich musste ihn nur fangen."

Nachdem sich seine Hände um den Ball geschlossen hatten, merkte Vea dann doch seine Fremdheit in der gegnerischen Endzone. "Aus irgendeinem Grund hatte ich gedacht, dass jemand hinter mir ist", erzählte er. "Als ich den Ball fing, habe ich mich auf einen Einschlag eingestellt. Aber es war niemand da." So blieb genug Platz für seinen Jubellauf.

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