Süddeutsche Zeitung

Streik im American Football:Show me the money!

Lesezeit: 3 min

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es wäre doch so einfach: Im Film "Jerry Maguire" über einen Footballspieler und seinen Berater reichen vier Worte, um jedem auf der Welt mitzuteilen, worum es wirklich geht im Profisport - "show me the money!" Auf deutsch: "Führ mich zum Schotter!" Es gibt in der US-Footballliga NFL gerade einige Akteure, die unbedingt zum Schotter geführt werden möchten, sie verdeutlichen den Ernst der Lage durch den Verzicht aufs Trainingslager und die Androhung, auch zu Spielen nicht zu erscheinen - doch es ist im wahren Leben nie so einfach wie im Film.

Die Running Backs Ezekiel Elliott, 24, von den Dallas Cowboys und Melvin Gordon, 26, von den Los Angeles Chargers sind jung, hochbegabt und kampferprobt; vor ein paar Jahren hätten solche Leute nicht zum Schotter geführt werden müssen, die Klubs hätten das Geld in Schubkarren gebracht. Laufspieler galten als das Herzstück der Offensive, waren oft noch wichtiger als der Quarterback. Walter Payton (Chicago Bears), Emmitt Smith (Cowboys) oder O.J. Simpson (Buffalo Bills) waren gefeierte Stars und wurden auch so bezahlt.

Diese Zeiten sind vorerst vorbei, und dafür gibt es drei Gründe. Der wichtigste, natürlich: Geld. Der Tarifvertrag gibt strenge Grenzen für Vertragslaufzeit und Entlohnung junger Akteure vor, Elliott zum Beispiel verdient in den ersten vier Jahren seiner Profilaufbahn insgesamt knapp 26 Millionen Dollar. Das ist viel Geld, im Vergleich zu den besten Laufspielern der Liga, und dazu gehört Elliot, aber eher wenig. Er befindet sich nun im letzten Jahr seines so genannten "Rookie Contracts", er darf jetzt über eine Verlängerung und die damit verbundene Gehaltserhöhung verhandeln.

Das würde Elliott gerne tun, deshalb streikt er, doch er befindet sich in einer misslichen Lage. Die Cowboys können ihm regelkonform in dieser Saison 3,8 Millionen Dollar bezahlen, in der kommenden Saison über eine bereits gezogene Option neun Millionen. Danach könnten sie ihn zwei weitere Spielzeiten binden, so lange sie ihm den Durchschnitt der fünf bestbezahlten Akteure auf dieser Position überweisen: in dieser Saison wären das 11,2 Millionen Dollar. Elliott hätte gerne mehr, er möchte von jetzt an mehr als 14 Millionen Dollar pro Saison verdienen. Nur: Warum sollten die Cowboys das tun, wenn sie ihn vier Jahre lang für insgesamt 18,5 Millionen Dollar weniger haben können?

Das führt zum zweiten Grund für den Streit, der Besitzer der Cowboys sagte kürzlich: "Es ist doch so: Man braucht keinen Meisterläufer, um die Meisterschaft zu gewinnen." Das war eine deutliche Botschaft an Elliott. Denn die Spielweise in der NFL hat sich drastisch verändert in den vergangenen Jahren, es gibt deutlich mehr Pässe als Laufspielzüge - weshalb der Wert von Spielmachern, Passempfängern und Quarterback-Beschützern (um die Zeit zum Freilaufen zu erhöhen) stieg, der von Running Backs dagegen stagnierte oder fiel.

Es gibt mittlerweile eine These, die noch vor wenigen Jahren als blasphemisch abgetan worden wäre, die aber aufgrund detaillierter Analysen von Statistiken weitgehend akzeptiert ist: Laufspieler sind nicht so einzigartig, wie ihre Verehrung und Bezahlung in den vergangenen Jahrzehnten vermuten ließen, sie sind vielmehr austauschbar. Le'Veon Bell von den Pittsburgh Steelers zum Beispiel wollte letzte Saison über einen Streik eine Vertragsverlängerung erzwingen, jedoch spielte sein Ersatzmann James Conner (Saisongehalt: 578 000 Dollar) so gut, dass Bell die ganze Spielzeit aussetzte und danach zu den New York Jets wechselte. Die geben ihm nun den Schotter, den er haben will: 52 Millionen Dollar für vier Jahre. Es gibt noch Running Backs, die gut bezahlt werden.

Die Football-Franchises müssen aufgrund strenger Gehaltsvorgaben penibel planen, wie sie ihre Ressourcen verteilen, und Laufspieler sind vom Herz zum Zeh geworden - braucht man, ist aber nicht unbedingt lebensnotwendig. Running Backs sind verletzungsanfällig, ihre Leistungen - auch das zeigen detaillierte Statistiken - nehmen mit zunehmendem Alter bis auf wenige Ausnahmen schneller ab als die von Akteuren auf anderen Positionen. Warum also sollten Klubs wie die Cowboys so viel mehr ausgeben, wenn sie einen ähnlich talentierten und viel günstigeren Akteur bei der Wahl der besten Nachwuchsspieler bekommen können?

Das führt zur Frage, ob die Regel im Tarifvertrag noch zeitgemäß ist, dass Laufspieler in der Blüte ihrer Profilaufbahn im Vergleich zu älteren Kollegen derart schlecht bezahlt werden. "Wer in der ersten Runde gewählt wird, der soll möglichst alles können. Wer später verpflichtet wird, der wird beim ersten Fehler entlassen", sagt Todd Gurley von den Los Angeles Rams, der nun als Beispiele für Vorsicht bei der Vergabe von Verträgen gilt. Er hat sich mit den Rams vor der vergangenen Saison auf eine Verlängerung geeinigt (57 Millionen Dollar für vier Jahre), dann jedoch Probleme mit dem linken Knie bekommen; Ersatzmann C. J. Anderson (938 000 Dollar Gehalt) spielte derweil herausragend.

Der Ärger von Elliott und Gordon auf das Reglement ist nachvollziehbar, sie werden derzeit nicht ihren Fähigkeiten entsprechend entlohnt. Es ist jedoch angesichts von Tarifvertrag und Spielweise der meisten NFL-Franchises eher fraglich, ob die beiden bis zum Saisonstart Anfang September das bekommen, was sie gerne haben möchten - und ob ihnen der Streik tatsächlich hilft. Es dürfte weniger werden, und da hilft es auch nicht, dass der einstige Laufspiel-Held O.J. Simpson fordert: "Pay these guys!" Auf deutsch: "Führ sie zum Schotter!"

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SZ vom 02.08.2019
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