Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Der fliegende Finne

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Hannu Mikkola, Rallye-Weltmeister 1983, beherrschte wie kaum ein anderer den Schwebezustand mit allen vier Reifen. Nun ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.

Von Elmar Brümmer

Jener Schwebezustand, bei dem sich zwei, drei und manchmal sogar alle vier Reifen des Rennwagens vom Boden lösen, ist bei den Rallyefahrern nicht nur rein physikalisch zu betrachten. Die Diskrepanz zwischen Himmel und Erde gilt sinnbildlich auch meistens für den Charakter. So draufgängerisch ihr Tun hinter dem Lenkrad erscheint, so bodenständig sind die Typen meist, wenn sie den Überrollkäfig verlassen. Man denke nur an den Regensburger Walter Röhrl, der vielen immer noch als bester Autofahrer Deutschlands gilt.

Einer der härtesten Gegner zu Röhrls großer Zeit, als die Rallye-Weltmeisterschaft dem Ruhm der Formel 1 nur in wenig nachstand, war Hannu Mikkola. Der Finne wurde nach vielen Anläufen 1983 am Steuer eines Audi quattro endlich Weltmeister, mit 41 Jahren der älteste Fahrer, dem das bisher gelang. Mit 78 ist Mikkola nun einem Krebsleiden erlegen - an jenem Wochenende, an dem in seiner Heimat die Arctic Rallye ausgetragen wurde.

Der Münchner Motorsportjournalist Uwe Mahla hat als Nachruf auf den großen Finnen eine Geschichte veröffentlicht, die niemals erschienen ist. Sie stammt aus dem Jahr 1979 und ist überschrieben mit "Mikkola - ein Mann zum Siegen geboren", im Vorspann heißt es: "Clever genug, ein Rallyeauto am Leben zu halten, schnell genug, um jeden seiner Kollegen zu demütigen." Mahla arbeitete damals für das Magazin rallye racing, das ausgerechnet am Tag der entscheidenden WM-Etappe von einem frühen Redaktionsschluss geplagt wurde. Zwischen Mikkola und dem Schweden Björn Waldegaard stand es spitz auf Knopf, kurzerhand wurden zwei Champion-Portraits gefertigt. Es war ein Duell der Persönlichkeiten, die das ganze Jahrzehnt geprägt hatten. Schließlich setzte sich Waldegaard mit nur einem Pünktchen Vorsprung durch. Über den Schweden titelte Mahla "Erfolgreich wie kein anderer." Das Mikkola-Portrait landete in der Schublade.

Mikkolas späte sportliche Revanche 1983 brachte ihm einen Ehrenplatz in der Historie ein, er war der erste, der in einem Auto mit Allradantrieb den Titel gewinnen konnte. Insgesamt fuhr er 123 WM-Rallyes, 18 davon beendete er als Sieger.

Seine Audi-Markenkollegin Michele Mouton, heute Sicherheits-Kommissarin beim Weltverband Fia, erinnert sich an die große Zeit der Rallye-WM: "Es war eine Ära, in der wir den Sport und das Leben zugleich lieben konnten." Vom Mann aus Nordkarelien habe sie sich viel abschauen können, das Bremsen mit dem linken Fuß beispielsweise. Was die Französin jedoch wirklich in Staunen versetzt hatte, war das unglaublichen Gefühl Mikkolas in der Beherrschung von Auto und Straße: "Er hat das meiste intuitiv gekonnt und verabscheute lange Trainingsfahrten."

Party frei also, wie es sein Landsmann Kimi Räikkönen als Teilzeit-Rallyefahrer zwischen zwei Formel-1-Karriereabschnitten unlängst noch betrieben hat? Keineswegs. Michelle Mouton lächelt in ihrer Trauer: "Das war das einzige, was mir nicht so an ihm gefallen hat - im Gegensatz zu mir mochte er keine Partys. Er ging immer um neun zu Bett." So wird man einmal Champion, dreimal Zweiter und zweimal Dritter.

Hannu Mikkola hatte 1974 in Finnland, wo der Legende nach auch der Zustand der Straßen im Winter die hohe Dichte an Drift-Talenten hervorbringt, seinen ersten WM-Lauf gewonnen. Ein Spätzünder, der erst mit 21 richtig angefangen hatte. Er fuhr später für Peugeot, mit Jean Todt als Beifahrer, dem späteren Ferrari-Teamchef und heutigen Fia-Präsidenten.

Später gewann Mikkola mit einem Mercedes 450 die Safari-Rallye. Einer, der in allen Kategorien und auf vielen Belägen schnell war, überall jedoch auf denselben Spitznamen hörte: Der fliegende Finne.

Wettbewerbsfähig war Hannu Mikkola auch nach seinem ersten Titel noch, doch seine Karriere trudelte aus. Seinen Abschied feierte er 1993 bei der Tausend-Seen-Rallye in Finnland. Die Rallye, die er sieben Mal gewonnen hatte, beendete er im Alter von 51 Jahren als Siebter in einem Toyota. Es war ihm eine Ehre.

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