Süddeutsche Zeitung

Nach Sieg gegen Real:Mustafis Glück in Valencia

Lesezeit: 4 min

Die Karriere von Nationalspieler Shkodran Mustafi läuft glänzend. Mit dem FC Valencia besiegt er Real Madrid und sagt, er wolle mehr sein als Weltmeister.

Von Thomas Hummel

Shkodran Mustafi besiegt Toni Kroos und Sami Khedira. Auch Cristiano Ronaldo und Gareth Bale. Shkodran Mustafi ist jetzt nicht mehr nur amtlich geprüfter Weltmeister, sondern auch noch Real-Madrid-Besieger.

Die Karriere des 22-Jährigen aus Bebra in Hessen entwickelt sich weiterhin prächtig. Noch vor einem Jahr kannten ihn nur die regelmäßigen Beobachter von DFB-Junioren-Länderspielen, also quasi niemand. Inzwischen gehört der Verteidiger der deutschen Nationalmannschaft an - und nun lernen ihn auch die Spanier kennen.

Im Sommer war Mustafi nach der WM von Sampdoria Genua zum FC Valencia gewechselt. Als Mitglied der deutschen Weltmeister-Mannschaft hätte er auch zu noch renommierteren Klubs gehen können. Doch die Gefahr, dort auf der Ersatzbank wieder in Vergessenheit zu geraten, war ihm zu groß. Valencia erweist sich bislang als genau die richtige Adresse.

Nach der Pause drehte der Gastgeber die Partie

Der Klub von Spaniens Ostküste musste vor der Saison wieder einmal seine besten Spieler meistbietend verkaufen. Zum Beispiel Jérémy Mathieu zum FC Barcelona oder Juan Bernat zum FC Bayern. Der FC Valencia ist seit Jahren eine Art Durchlauferhitzer für kommende Stars. Die Macher des Vereins sind es gewohnt, ständig nach neuem Personal zu suchen. Mit einigen Millionen haben sie wieder eine bemerkenswerte Mannschaft zusammengestellt, die nun Real Madrid besiegt hat.

Der Tabellenführer der Primera División hatte zuvor in 22 Pflichtspielen 22 Mal gewonnen. Auch in Valencia ging Madrid zunächst in Führung, nach einem Handspiel verwandelte Cristiano Ronaldo sicher (14.). Es war das 26. Tor des Portugiesen in dessen 15. Ligaspiel.

Valencia hatte dem in der ersten Halbzeit hauptsächlich Härte entgegenzusetzen. Die Mannschaft verübte fast mehr Fouls als sie Pässe spielte. Insgesamt gab es sieben gelbe Karten für Valencia, eine davon für Mustafi. Das Spiel änderte sich nach der Pause allerdings. Plötzlich stellte der Gastgeber einen gleichwertigen Gegner dar und drehte die Partie. Ein Schuss von Antonio Barragán wurde von Pepe ins Tor abgefälscht (52.), nach einer Ecke köpfte Nicolas Otamendi das 2:1 (65.). Valencia liegt in der spanischen Liga nun auf Rang vier, fünf Zähler hinter Spitzenreiter Real.

Mustafi spielte in der Dreier-Abwehrkette eine unauffällige, gute Partie. Gegen die Real-Offensive mit Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, Gareth Bale und James Rodriguez haben sich viele Verteidiger schon deutlich ungeschickter angestellt.

Valencia ist der vierte Neubeginn in der Karriere des stämmigen Verteidigers. Mit 14 Jahren zog Mustafi aus der hessischen Provinz ins Internat des Hamburger SV, mit 17 wechselte er nach England zum FC Everton. Weil er dort nicht den Sprung in die erste Elf schaffte, tingelte Mustafi weiter, wieder in ein neues Land: diesmal Italien, zweite Liga, Sampdoria Genua. Dort stieg er in die Serie A auf und entwickelte sich zu einem ordentlichen Innenverteidiger. Bis Joachim Löw anrief.

Im Februar 2014 tauchte Mustafi dann plötzlich im Kader der Nationalmannschaft zum Testspiel gegen Chile auf. Die Neugier war groß, wer dieser unbekannte Neuling sei. Durch die Verletzung von Marco Reus kurz vor der WM rutschte er im letzten Moment sogar in den Kader für Brasilien. Und selbst das reichte noch nicht: Gegen Portugal und Ghana wechselte ihn Löw ein, gegen Algerien im Achtelfinale spielte Mustafi sogar von Beginn an. Doch in guter Erinnerung blieben seine Auftritte eigentlich nicht.

Da war zum Beispiel ein verlorenes Kopfballduell vor dem 1:1 gegen Ghana. Ein spärliches und ungeübtes Offensivspiel. Hängen blieb, dass sich da einer verlaufen hatte auf der Position des Rechtsverteidigers. Was Mustafi ja nie geleugnet hatte, denn er sieht sich seit eh und je als Innenverteidiger. Doch mangels Außenverteidigern griff der Bundestrainer eben auf eine Ochsenabwehr mit vier Innenverteidigern zurück, und Mustafi sollte auf rechts werkeln. Im Durcheinander gegen Algerien gehört er einer desorientierten Abwehr an. Als er sich in der zweiten Halbzeit mit einem Muskelbündelriss unter Schmerzen von der WM verabschiedete, kommentierte mancher zynische Beobachter: Problem gelöst. Endlich war Löw gezwungen, wieder Philipp Lahm nach rechts hinten zu schicken.

Auch aus finanzieller Sicht scheint Valencia ein guter Ort zu sein

Doch Mustafi machte sich nicht zu viele negative Gedanken. "Ich bin nicht der Typ, der sich mit so etwas befasst", sagte er einmal. Stattdessen genießt er seine neue Popularität. In Deutschland erkennen ihn nun die Menschen am Flughafen oder in der Fußgängerzone. "Weltmeister zu sein, verändert dein Leben völlig", erzählte er. Und er plante den nächsten Karriereschritt.

Mit seinem Vater Kujtim Mustafi und seinem Berater Ali Bulut sondierte er die Angebote, die nach der WM hereinwehten. Sie nahmen sich Zeit, Shkodran musste ohnehin erst seine schwere Muskelverletzung auskurieren. Sie entschieden sich für Valencia.

Seit dem fünften Spieltag ist er Stammspieler in der Abwehr, entweder innen oder in einer Dreier-Kette. Er hat bereits drei Tore geschossen, zwei davon im Derby gegen Villarreal, was ihm die Fans sehr dankten. "Ich fühle mich total wohl. Wir haben eine tolle Mannschaft. Es passt auch im Umfeld", sagte Mustafi im Interview mit Der Welt. "Ich wollte zu einem Verein, in dem ich dann auch wer bin. Aber nicht Mustafi, der Weltmeister, sondern Mustafi, der Fußballer, von dem man weiß, was er kann, und den man braucht."

Ob Valencia demnächst wieder die besten Spieler verkauft? Vielleicht auch den deutschen Weltmeister? Vielleicht nicht. Der Milliardär Peter Lim aus Singapur hat im Mai 70 Prozent des weitgehend maroden Klubs übernommen und angekündigt, die Schulden zu begleichen und endlich das neue Stadion fertigstellen zu lassen. Auch aus finanzieller Sicht scheint Valencia ein guter Ort für einen neuen Anfang gewesen zu sein.

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