Süddeutsche Zeitung

Nach Schweinsteigers BVB-Häme:Rüge für Löws Eleven

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Döner-Gate, Hotellobby-Gate, Gaucho-Gate und jetzt auch noch ein Schmähgesang von Bastian Schweinsteiger: Die Zahl der "Tut-man-nicht"-Vorfälle deutscher Nationalspieler gibt Anlass zur Sorge. Wann schreitet das Bildungsministerium ein?

Von Klaus Hoeltzenbein

Wer sich die Zeit nimmt und versucht, das Bastian-Schweinsteiger-Video im Netz zu verfolgen, der sieht erst einmal: nix. Der hört erst einmal: fast nix. Bodennebel, Körperdunst, Finsternis. Und wenn sich in der dritten, vierten Wiederholung die Erkenntnis breit macht, dass da offenbar ein Mann in einer Bar auf Tisch oder Tresen krächzt, denkt man an Axel Schulz und dessen schwersten Kampf.

Ja, dort steht ein Mann mit Axel-Schulz-Kappe, die er immerzu wie zum Gruße lupft, ein weißes Axel-Schulz-Boxhandtuch um den Hals gelegt. Hätte sich dieser dunkle Mann jetzt noch der Zeilen erinnert, die Helene Fischer nur Stunden zuvor auch zu seinen Ehren am Brandenburger Tor gesungen hat ("Wir zieh'n durch die Straßen und die Clubs dieser Stadt, Das ist uns're Nacht, wie für uns beide gemacht, oho oho") - alles wäre stubenrein, politisch korrekt, in Ordnung gewesen.

Hat er aber nicht. Er hat nicht die blonde Frau Fischer zitiert, die beim makellosen Auftritt am Brandenburger Tor ihren makellosen Bauch ins Bild setzte. Stattdessen schickte das Axel-Schulz-Double, das bei längerem Hinsehen als Bastian Schweinsteiger zu identifizieren ist, einen Fan-Song gen Borussia Dortmund. Allerdings einen aus der untersten Schublade.

Damit hat sich die Zahl der besorgniserregenden Vorfälle erhöht. Derart, dass Joachim Löws Eleven jetzt vielleicht doch ein Fall fürs Ministerium für Bildung und Forschung werden, also für Frau Prof. Dr. Johanna Wanka. Nicht, weil diese ähnlich blond wie die atemlose Helene Fischer ist, sondern weil sich einiges angesammelt hat, was die oberste Lehrkörperschaft der Republik vor Herausforderungen stellt.

Als da wären, ohne Details auszubreiten: Döner-Gate, Hotellobby-Gate, Gauchotanz-Gate, BVB-Hurensohn-Gate. Vier Vorfälle, die allesamt mit dem "Tut-man-nicht"-Tugendstempel indiziert werden könnten.

Pädagogisch effektiver wäre jetzt vielleicht, man drehte die Sache einfach um. Zeigt sich ordnungsgemäß empört, aber auch erleichtert: darüber, dass es sich bei diesen Weltmeistern offenbar nicht nur um göttergleiche, erdenferne Wesen handelt, als die sie in der Werbung und auf der Playstation präsentiert werden.

Natürlich täte auch ein bisschen Demut gut. Und Buße - deshalb folgender Vorschlag: Seit der WM 1994 weigert sich die Nationalelf beharrlich, a capella zu singen; dieser Boykott gehört nun überdacht. Es muss ja nicht gleich so sein wie bei den Brasilianern, die bei der WM nur als Sängerknaben auffielen. Und über das Singen das Spielen vergaßen.

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Quelle:
SZ vom 29.07.2014
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