Süddeutsche Zeitung

Mitarbeiter des Tages:Sergio Mattarella

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Enthemmter Jubel auf der Tribüne in Wembley, aber nur ein bisschen: Italiens Staatspräsident kreiert beim Finale einen symbolischen Urmoment - wie 1982 beim WM-Sieg in Madrid sein Amtsvorgänger Sandro Pertini.

Von Oliver Meiler, Rom

Das Original bleibt wohl ewig unerreicht: 11. Juli 1982, Madrid, WM-Finale. Sandro Pertinis erlöster Jubel nach dem 3:1-Sieg der Azzurri über Deutschland, die Arme in der Höhe, es war so etwas wie ein Urmoment. Der sozialistische Staatspräsident Italiens, damals 85, machte sich als "tifoso" auf der Ehrentribüne des Bernabéu-Stadions unsterblich populär. Man sollte später sagen, dass damals, mit jenem geselligen Lachen, Italien den Schrecken der "bleiernen Jahre" des roten und des neofaschistischen Terrorismus abstreifte. Auf dem Rückflug spielte Pertini Karten mit Trainer Enzo Bearzot, Franco Causio und Dino Zoff, die goldene Trophäe auf dem Tisch - und auch dieses Foto fügte sich in die Sammlung des kollektiven Erinnerns. So leicht und normal fühlte sich die Zeit plötzlich an.

Und so reiste nun, zum hoffentlich baldigen Ende der Pandemie, auch der amtierende Präsident Sergio Mattarella zum Finalspiel - für einen Urmoment: 11. Juli 2021, London. Zwar nur EM, aber immerhin. Mattarella, ein Christdemokrat aus Palermo, bald 80, ist ein moralisch gerader, auch etwas steifer Mann. Wenn er auftritt, liegen seine Arme immer eng am Körper, er wirkt dann statuenhaft. Italienische Präsidenten verbringen die meiste Zeit auf zeremoniellen Veranstaltungen, dann und wann entscheiden sie aber mächtig über das politische Schicksal der Republik. So will es die italienische Verfassung, präsidiale Mandate sind in Phasen gestückelt.

Mattarella ist stark in beiden, er lächelt immer sehr beruhigend, überschwänglich ist er nie. Aber als Bonucci das 1:1 erzielt

e, entfuhr ihm eine Geste enthemmten Jubels: Hände in der Höhe, offener Mund, die Schutzmaske abgesetzt. Das Foto prangte in allen Zeitungen, ganz scharf ist es nicht. La Repubblica sah ein "ungebremstes Frohlocken". Ein bisschen Pertini, aber nur ein bisschen.

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