Süddeutsche Zeitung

Deutschland gegen Serbien:Jovic spielt gegen den Druck der 70 Millionen

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Von Sebastian Fischer, Triest

Luka Jovic stand frei, und deshalb machte er, was Fußballer meistens tun, wenn sie ungedeckt vor dem gegnerischen Tor stehen: Er schrie und winkte mit den Armen, er wollte unbedingt den Ball. Aber als er ihn bekam, als der Ball in perfekter Höhe auf ihn zuflog, sprang Jovic nicht zum Kopfball. Er fing den Ball. Und er warf ihn zu seinem Mitspieler, der noch besser stand.

Gut, es war nur ein Handballspiel zum Aufwärmen im Abschlusstraining der serbischen U21-Nationalmannschaft vor dem Spiel gegen Deutschland an diesem Donnerstagabend in Triest (21 Uhr). Aber wer wollte, der konnte es als kleines Indiz werten, dass der vielleicht beste Stürmer der U21-EM motiviert und in guter Verfassung ist. Goran Djorovic jedenfalls, Serbiens Trainer, nannte Jovic am Mittwoch einen "psychologisch sehr starken Typ". Was in den vergangenen Wochen passiert sei, könne das Verhalten eines Fußballers schon beeinflussen, sagte er: "Aber ich vertraue ihm." Die nächste Frage zu Jovic in der Abschlusspressekonferenz unterbrach dann der Pressesprecher des serbischen Verbands. Er bat darum, dass es nur noch um das Spiel gehen solle und entschuldigte sich dafür später. Die Umstände seien gerade nun mal besonders.

Jovic, 21, ist einer der gefragtesten und populärsten Fußballer des Turniers. Gerade einmal rund zwei Wochen ist es her, dass der Transfer des Stürmers - in der vergangenen Saison mit insgesamt 27 Toren eine der Attraktionen der Bundesliga und der Europa League - von Eintracht Frankfurt zu Real Madrid als perfekt vermeldet wurde. Bis zu 70 Millionen Euro soll er angeblich gekostet haben. Er wurde im Stadion vorgestellt, Real Madrid TV übertrug live, er jonglierte und schoss Bälle auf die Tribüne zu den Fans, wie es bei neuen Spielern des Vereins üblich ist.

Bei der anschließenden Pressekonferenz saß er im Anzug vor den Journalisten, trug ein zur Krawatte passendes Einstecktuch und schaute wie ein Junge, den seine Eltern an einem heißen Sommertag überredet haben, sich für die Kirche ordentlich anzuziehen und danach beim Kuchenessen Tante und Onkel von der letzten Physikklausur zu erzählen. Jovic antwortete in kurzen Sätzen. "Man kann sagen, dass ich introvertiert bin", sagte er zum Beispiel: "Viel mehr will ich darüber aber nicht sagen."

Es ist ein ziemlicher Hype, der um Jovic veranstaltet wird, womöglich viel Wirbel für einen jungen Mann, der so gut wie kaum ein anderer in Europa Bälle ins Tor schießen kann, wenn sie im Strafraum auf ihn zufliegen oder ihm in den Weg rollen - egal aus welchem Winkel, egal was sonst so im Strafraum los ist. Jedenfalls war das in der vergangenen Saison seine große Stärke in Frankfurt. Ob er wohl einfach so weitermachen kann, wie sie es in Madrid erwarten? Im ersten serbischen Gruppenspiel bei der U21-EM gegen Österreich, das mit 0:2 verloren ging, traf er mit einem Kopfball die Latte.

Serbien muss gegen Deutschland gewinnen, um noch eine Chance aufs Weiterkommen zu haben

Journalisten, die Jovic in Italien selbst ein paar Fragen stellen wollten, bekamen eine Absage. Real Madrid habe Interviews verboten, heißt es, angeblich um der spanischen Sportpresse, die sich gerade auf jede Jovic-Neuigkeit stürze, keine neuen Geschichten zu liefern. Einzig auf der Webseite des Fußballverbands Uefa wurde ein Gespräch mit ihm veröffentlicht. "Ich kann immer etwas verbessern", sagt er darin. Der Druck sei durch die Geschehnisse der vergangenen Wochen nicht gestiegen, er habe sich davon freigemacht, darüber nachzudenken. Und der Wechsel nach Madrid soll seine Leistung bei der EM nicht beeinflussen. "Ich bin nicht beunruhigt", sagt er. "Ich werde genug Zeit haben, mich auszuruhen und bereit zu sein für die nächste Saison."

Es ist durchaus überraschend, dass Jovic, der bei der WM 2018 schon für Serbiens A-Nationalmannschaft auflief, bei dem Turnier überhaupt dabei ist. Eine Bühne, um sich zu präsentieren, braucht er ja gerade nicht mehr wirklich. Und die meisten Teams haben ihren allerbesten Talenten Sommerurlaub gegeben, die Franzosen Kylian Mbappé von Paris St. Germain, die Engländer Jadon Sancho von Borussia Dortmund, die Spanier Marco Asensio von Real Madrid. Die Italiener haben die bestmögliche Mannschaft zusammengestellt, sie verloren allerdings nach einem rauschenden 3:1-Auftaktsieg gegen Spanien am Mittwoch 0:1 gegen Polen. Serbien muss gegen Deutschland gewinnen, um noch eine Chance aufs Weiterkommen zu haben. Die DFB-Elf kann nach dem 3:1 zum Auftakt gegen Dänemark bereits einen sehr großen Schritt in Richtung Halbfinale machen.

"Er kriegt die Aufmerksamkeit, die er verdient", sagte Deutschlands Trainer Stefan Kuntz am Mittwoch über Jovic, "wir werden versuchen zu verhindern, dass er zu oft an den Ball kommt." Kuntz sagte aber auch: "Auf der anderen Seite spielt Jonathan Tah, ein deutscher A-Nationalspieler." Und der deutsche Kapitän sagte, Jovic sei "sehr robust" und "gar nicht so langsam", habe außerdem einen "super Abschluss". Tah wies aber auch darauf hin, dass es noch andere serbische Spieler gebe - und die seien auch nicht so schlecht.

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