Süddeutsche Zeitung

Bronze für Gesa Felicitas Krause:Ihr Sprung ins Glück

Lesezeit: 4 min

Von Saskia Aleythe, Doha

Sie wollte jetzt am liebsten weiterlaufen, draußen, in der Hitze Katars. Gut, Gesa Felicitas Krause dachte auch an den bevorstehenden Urlaub nach einem Jahr ohne freien Tag, sie dachte an Gummibärchen und Wein, worauf sie verzichtet hatte wegen ihrer strikten Ernährung. Aber bevor die Gelenke Erholung bekommen sollten nach einer zehrenden Zeit, wollte sie es in Doha wenigstens einmal draußen probieren. "Das gönne ich mir noch", sagte sie. Läufer haben bisweilen spezielle Gedanken. Aber sie führen ja auch ein spezielles Leben.

So ein Hindernislauf birgt Momente, die für Außenstehende manchmal schwer zu begreifen sind. AAm Montagabend in Doha zeigte Krause eine fulminante Schlussrunde, das ganze Rennen zuvor hatte sie um den Anschluss an die Verfolgergruppe von Beatrice Chepkoech kämpfen müssen - und dann entdeckte sie auf den letzten 300 Metern noch eine Energiequelle. "Hintenraus mobilisiert der Körper einfach nochmal Kräfte, die man vorher gar nicht verspürt. Das ist dann natürlich die Euphorie. Da gibt es kein Schmerzempfinden mehr", erklärte Krause, nachdem sie schließlich über 3000 Meter Hindernis zu WM-Bronze gelaufen war. In neuem deutschen Rekord von 9:03,30 Minuten.

Krause musste wieder so schnell loslaufen wir in Zürich

Mit Euphorie war Krause schon nach Doha gereist, denn in den vergangenen Wochen hatte sich ihr Weg in diesem Jahr als richtig erwiesen: Beim Diamond-League-Finale in Zürich Ende August knackte sie den auch da schon von ihr gehaltenen Deutschen Rekord um vier Sekunden, beim Istaf in Berlin gelang ihr über die seltener gelaufene Strecke über 2000 Meter sogar der Weltrekord. Das waren Erfolgserlebnisse mit Auswirkung auf Doha.

"Das hat mir sehr viel Sicherheit gegeben", sagte sie nun, "manchmal muss einfach so ein Knoten platzen." Und das Rennen in Zürich war auch aus taktischer Sicht ein wichtiger Ratgeber: Damals ist sie zum ersten Mal mit Kilometerzeiten von drei Minuten gestartet, ein sehr hohes Tempo. "Zürich hat mir gezeigt, dass ich das kann", sagte Krause.

Und tatsächlich lief Chepkoech dann so schnell vorneweg, dass die Verfolgergruppe von sechs Läuferinnen, Krause auf Rang acht liegend, keinen gemächlichen Start hinlegen konnte. Krause musste wieder so schnell loslaufen wir in Zürich und heftete sich an die Gruppe, verlor mal ein paar Meter, holte aber wieder auf. "Wenn man dran ist, dann kommt bei mir diese Euphorie", sagte sie, "ich bin jemand, ich stehe gerne im Wettkampf." Die ersten Hindernisse nahm sie noch mit einiger Vorsicht, wurde zum Ende hin mutiger. "Wenn ich merke, dass es der Konkurrenz schlechter geht als mir, dann spornt mich das an", erklärte sie.

Und der Konkurrenz ging es dann eben vor allem auf der letzten Runde schlechter als ihr. Vor dem Wassergraben lag Winfred Mutile Yavi noch vor ihr auf dem dritten Rang, doch den Wassergraben beherrscht Krause ja wie kaum eine andere. "Jeder bringt sein gewisses Talent mit und ich denke, das ist meins", sagte sie, "ich laufe mit einer höheren Geschwindigkeit auf den Graben, habe damit die beste Technik und kann dadurch ein paar Meter gutmachen." Das tat sie und zog an der Frau aus Bahrain vorbei, konnte im Endspurt sogar noch ein paar Meter auf Emma Coburn aus den USA aufholen. Schon bei der WM 2015, als Krause in Peking überraschend Bronze gewonnen hatte, war der Sprung über den letzten Wassergraben der Sprung ins Glück gewesen. 2017 konnte sie sich noch auf Rang neun herankämpfen, nachdem ein Sturz von Chepkoech sie selber zu Fall gebracht hatte.

"Laufen ist einsamer Sport", hat Krause neulich gesagt, was auch an den Umständen liegt, die sie in die Weltspitze geführt haben. Sie ist ja eigentlich nur unterwegs, das ganze Jahr über in Trainingslagern: Kenia, Südafrika, USA und in der Schweiz, immer wieder drei Wochen oder länger, dann ein Abstecher nach Hause, dann wieder los, ab und an Wettkämpfe. Ende August war sie noch einmal daheim in Frankfurt, "das fiel mir erst mal total schwer, mich wieder einzufinden, selbstständig den Alltag zu meistern". Seit einem Jahr hat sie keinen freien Tag gehabt.

"Für mich ist es manchmal die beste Regeneration, leichte Läufe zu machen als gar nichts", sagte sie nun in Doha, und überhaupt: "Ich werde auch manchmal unausstehlich, wenn ich gar nichts mache." Ihren Eifer weiß Trainer Wolfgang Heinig zu schätzen. Der 68-Jährige feierte schon 1988 als Heimtrainer seiner späteren Frau Katrin Dörre-Heinig im Marathon Olympia-Bronze für die DDR, nach der Wende 1991 WM-Bronze. Er war später Bundestrainer der Sparten Laufen/Gehen sowie Langstrecke/Marathon, machte sich aber bei einigen Athleten aufgrund seiner allzu harten Ansprache unbeliebt. Doch Krause und Heinig haben sich gefunden. "Ich glaube, viele Menschen urteilen über ihn zu schnell, ohne ihn wirklich zu kennen", sagte Krause nun, "er ist wirklich ein Genie, was Trainingsplanung angeht. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin."

Und so steht der Plan bis zu den Olympischen Spielen in Tokio auch schon. Wieder viele Wochen Trainingslager, doch für Krause sind das kaum Entbehrungen. Für seine Ziele müsse man halt was investieren, sagt sie, "das, was dieser Sport mir gibt, diese Emotionen, das macht mich nicht nur als Athleten, sondern auch als Mensch aus". Auf ihren Urlaub freute sie sich in Doha trotzdem schon, "das, was andere Leben nennen", sie lachte dabei. Einfach mal nichts machen, keinen durchstrukturierten Tages- und Trainingsplan zu haben. "Das ist jetzt auch schön, wenn man entscheiden kann, was der Geist gerade möchte und nicht, was der Körper gerade braucht."

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