Süddeutsche Zeitung

Kurioses aus London:Zur Belohnung 36 Sushi-Rollen

Wimbledon ist mehr als Erdbeeren und Schlangestehen: Fliegende Ameisen stören den vornehmen Frieden und so mancher Profi verblüfft mit speziellem Ernährungskonzept. Kuriositäten aus Wimbledon.

Von Barbara Klimke und Matthias Schmid

Der Rasen

Wie die lebenslange Mitgliedschaft im All England Lawn Tennis & Croquet Club gehört zu den Privilegien eines Wimbledonsiegers, dass er nicht mehr auf die Nebenplätze abgeschoben werden kann. Roger Federer oder Rafael Nadal kommen stets in den Genuss, auf einem der beiden größten Courts spielen zu dürfen. Das Gras ist frisch frisiert und topfeben, wie man es kennt vom Traditionsturnier in Wimbledon, das die besten Greenkeeper der Welt beschäftigt. "Ich kann mich überhaupt nicht beschweren", sagte Nadal nach seinem Drittrundensieg gegen den Russen Karen Chatschanow am Freitagabend. Nach der schweren Knieverletzung von Bethanine Mattek-Sands war Kritik an der Beschaffenheit der Rasenplätze aufgekommen. Vor allem Spielerinnen monierten, dass die kleineren Plätze uneben und von Löchern übersät seien und so Verletzungen begünstigen würden. Nadal wollte und konnte in die Klagelieder nicht einstimmen, er verstand die Frage gar nicht, weil er nie einen der Nebenplätze betreten hat. Der Veranstalter gab aber immerhin zu, dass die für London ungewöhnliche Hitze und Trockenheit die Präparierung erschweren würde. Kritik an ihrem heiligen Rasen ließen sie gleichwohl nicht zu, obwohl später sogar Wimbledonsieger Andy Murray auf dem Center Court "große Grasklumpen" gesehen haben will, sie wiesen stattdessen darauf hin, dass Gras eine "natürliche Oberfläche" sei. Mit natürlichen Abnutzungserscheinungen.

Das Wetter

Schirme gehören zum gewohnten Bild in Wimbledon - nur werden sie in diesem Sommer nicht gegen den Platzregen, sondern gegen die Sonneneinstrahlung ausgeklappt. Bis auf einen kurzen Schauer gleich am Montag ist es bei den 131. Championships bisher bemerkenswert trocken. Das Thermometer kletterte zur Wochenmitte auf 30 Grad, was bei den Hobby-Meteorologen der britischen Inseln bereits als "Sahara-Wetter" gilt. Allein am Donnerstag erlitten drei Zuschauer einen Hitzeschlag, 60 weitere mussten wegen Wettersymptomen behandelt werden, wie es aus der Notfallstelle des Turniers hieß. Als Ersthelfer sprang auch der Argentinier Juan Martin Del Potro ein: Sein Match gegen den Letten Ernests Gulbis musste für zwanzig Minuten unterbrochen werden, weil eine Zuschauerin auf der Tribüne ärztliche Hilfe benötigte. Del Potro griff zu einer seiner Wasserflaschen und ließ diese durch die Menge zu der Dame reichen. Auch größte Hitze ist in Wimbledon übrigens kein Grund, die Kleiderordnung zu vergessen. Eine Fotografin wurde, wie der Guardian berichtete, angeblich dezent darauf hingewiesen, über die Angemessenheit der Kürze ihrer Shorts nachzudenken. Auch die Linienrichter legen ihre Krawatte schließlich nicht ab. So viel Stil muss sein.

The Queue

Das Leben in der wohl berühmtesten Schlange Großbritanniens ist streng reglementiert. Der "Code of Conduct" gibt vor, wie man sich zu verhalten hat, wenn man sich schon in der Morgendämmerung einreiht, um noch an Karten im freien Verkauf zu kommen. Viele schlagen deshalb noch am Vorabend im Wimbledon Park ihr Zelt auf, um eine günstige Startposition zu erlangen. Mehr als zwei Personen dürfen im Zelt aber nicht nächtigen - das schreiben zumindest die Regeln vor. Außerdem darf man nicht drängeln oder die Schlange für mehr als 30 Minuten verlassen. Alkoholkonsum in der Schlange ist nicht generell verboten, aber mehr als eine Flasche Wein bis 0,75 Liter oder zwei Bierdosen (maximal 0,5 Liter) darf man nicht mit sich führen. Die Liste der Verbote, die auf den Hinweistafeln stehen, ist noch viel länger. Die Regelhüter sind allerdings freundliche und entspannte Menschen, Ehrenamtliche, sogenannte "Honorary Stewards". Mit ihnen kann man sich gut über Gott (Roger Federer) und die Welt (Brexit) unterhalten. Nur bei den Regeln hört bei ihnen der Spaß auf.

Fliegende Ameisen

Als Zoologe war der Franzose Jo-Wilfried Tsonga bisher noch nicht groß in Erscheinung getreten. Es ist auch nicht überliefert, ob ihn Biologie in der Schule groß interessierte. Doch als plötzlich in dieser Woche diese kleinen Viecher überall in Wimbledon auftauchten und ihn belästigten, zeigte sich schnell, dass der französische Tennisprofi ein paar Wissenslücken offenbart. Es waren keine Fliegen, über die er sich beklagte, "weil sie mir in Ohr und Nase gekrochen waren", wie er nach seinem Sieg gegen den Italiener Simone Bolleli bekannte. Es waren fliegende Ameisen. Die Briten kennen das Phänomen aus leidvoller Erfahrung, es hat sogar einen Namen: "Flying Ant Day". Dem aktuellen Forschungsstand nach fliegen die Ameisen in riesigen Schwärmen los, wenn die neue Königin ihr Nest verlässt. Das feucht-warme Klima mit Temperaturen um die 30 Grad auf den Rasenplätzen hatte es ihnen dabei besonders angetan. Zum Leidwesen von Tsonga und den übrigen Spielern, die sich sogar mit Insektenspray gegen die unerwünschten Gäste wehrten.

Das Lunch

Das Turnier im All England Club ist auch ein Picknick im Park - zumindest für die Zuschauer, die auf der Wiese unter dem großem Bildschirm mit der Liveübertragung ihre Kartoffelsalate mit Huhn auspacken, oder sich an den Ständen mit einer Tüte Fish & Chips versorgen. Der Club-Vorsitzende, Philip Brook, hat nun verraten, dass das Turnier die größten jährliche Catering-Anstrengungen bei Sportveranstaltungen in Europa stemmt. Im Spielerbereich, sagte er, seien früher Nudeln das beliebteste Gericht gewesen. Heute sind es Sushi. Größter Sushi-Freund ist unbestritten der amerikanische Profi John Isner. Nach seinem Sieg in der ersten Runde soll er 36 Lachs-Nigiri-Röllchen bestellt haben.

Der Falke

Am Vormittag, wenn die Tore zur Anlage geöffnet werden, ist die Arbeit für Rufus größtenteils getan. Er war dann bereits von fünf bis neun Uhr auf Patrouille und hat sich sein Frühstück aus Wachtelfleisch verdient: Rufus, der Falke, ist Wimbledons Taubenschreck. Während der Turniertage dient seine Anwesenheit dazu, fliegende Störenfriede vom Center Court und den übrigen 18 Plätzen zu vertreiben. Wichtig ist er aber auch während der Rasensaat. Denn für die Tauben, so erzählt Imogen Davis, seine Mutter, eine Falknerin und Ornithologin, die in der Grafschaft Northamptonshire Raubvögel aufzieht, sei die Rasensaat ein "Festbankett".

Subventionierte Erdbeeren

Die meisten Menschen auf der Anlage in Wimbledon drängeln sich vor den Ständen, die die berühmten Erdbeeren verkaufen. Eine Eintrittskarte an der Church Road verpflichtet fast schon zum Kauf einer Schale. Die bevorzugte und auch einzige Variante ist dabei die mit Schlagsahne. 2,50 Pfund kostet die kleine Schale. Viel zu viel, schimpfen einige Touristen und beschweren sich darüber, dass die Erdbeeren Jahr für Jahr teurer würden und die Schalen kleiner. Stimmt nicht, hat sich nun gezeigt. Der Veranstalter selbst hat mit Subventionen nachgeholfen, die Preise stabil zu halten. "Es ist uns ein großes Anliegen, die Erdbeeren für jeden Gast zugänglich zu machen", hat der Catering-Chef Anthony Davies erklärt. Nach dem Brexit hatten er und die anderen Macher befürchtet, dass alles teuer werden könnte - auch die Erdbeeren, die jeden Tag bei Sonnenaufgang auf der Hug Low Farm in Kent von fleißigen Helfern gepflückt werden. Wie beliebt sie sind, zeigt auch die Menge an Erdbeeren, die im vergangenen Jahr in Wimbledon verkauft worden ist: es waren 28 Tonnen. Mehr als zwei Millionen Früchte.

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