Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Es bleiben die Schatten

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Ist das Sommermärchen weniger skandalös geworden nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt? Nein, natürlich nicht.

Von Johannes Aumüller

Und nun? Glänzt es nun wieder, dieses WM-Turnier 2006? Ist das Sommermärchen wieder sommermärchiger und weniger skandalös geworden, weil das Landgericht Frankfurt mitgeteilt hat, dass es die Anklage gegen drei frühere Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nicht zulässt? Natürlich nicht. Es ist wichtig, sich auf den strafrechtlichen Kern des Frankfurter Verfahrens zu besinnen. Der lautet: Verdacht auf schwere Steuerhinterziehung. Von diesem Vorwurf entlastet das Gericht Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger. Und zwar, weil deren Zahlung von 6,7 Millionen Euro zwar verschleiernd als Beitrag zu einer WM-Gala deklariert wurde - aber zu Recht als Betriebsausgabe geltend gemacht. Das ist ein juristischer Erfolg für die Angeschuldigten und eine Niederlage für die Ermittler. Aber das ändert nichts an all den Merkwürdigkeiten, die es rund um diese Zahlung bis heute gibt. Dass weiterhin unklar ist, warum überhaupt Robert Louis-Dreyfus im Jahr 2002 Franz Beckenbauer zehn Millionen Franken lieh. Dass immer befremdlicher erscheint, warum zunächst die Bundesregierung als Veranstalter der WM-Gala vorgesehen war, ehe der Weltverband Fifa die Verantwortung für die Show im Oktober 2004 übernahm - obwohl man bei der Fifa offenbar nie vorhatte, die Gala wirklich auszurichten, wie der frühere Fifa-Chef Sepp Blatter der SZ kürzlich erklärte. Tatsächlich wurde sie dann abgesagt. Und zuvor noch als "Verwendungszweck" missbraucht, um den Louis-Dreyfus-Kredit via Fifa diskret zurückzuzahlen.

Und wenn die Einschätzung des Landgerichts stimmt, dass die 6,7 Millionen Euro im April 2005 als Entlohnung für Franz Beckenbauer gedacht waren, wäre zumindest klar, wie sehr über die Einkünfte des Mannes an der Spitze des Organisationskomitees getäuscht wurde. Jahrelang ließ der sich für sein ehrenamtliches Tun feiern. Nun offenbart sich, dass er vom DFB zu jener Zeit mehr als zwölf Millionen Euro erhielt - über Werbetätigkeiten für Lotto/Oddset sowie nun im Kontext des Dreyfus-Kredits.

Überdies gibt es nicht nur zu dieser Zahlung Fragen, sondern zu vielen weiteren Vorgängen, etwa bei der vielfältigen Umgarnung der Fifa-Leute, die damals die WM vergaben. Vor allem gilt das für einen Vertrag, den die deutschen Bewerber nur vier Tage vor der Wahl im Jahr 2000 mit der Fifa-Skandalnudel Jack Warner schlossen; er sollte einen finanziellen Gegenwert von zehn Millionen Mark haben. Es bleibt also dabei: Das Sommermärchen wird seine Schatten nicht los.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2018
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