Süddeutsche Zeitung

Italien:Ampel auf Grün

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Neue Trikotfarbe, neuer Stil: Italien qualifiziert sich überraschend früh für die Fußball-EM 2020.

Von Thomas Hürner

Es braucht schon viel Fantasie, um in diesen Trikots ein Symbol für die italienische Renaissance zu erkennen - vorausgesetzt, man ist nicht Teil des Kreativteams eines Sportartikelherstellers aus Herzogenaurach. Sogenannte Marketinggurus haben jedenfalls aus der weltberühmten "Squadra Azzurra" kurzerhand die "Squadra Verde" gemacht, aus der Farbe Blau wurde Grün, die Muster auf den Hemden sollen angeblich an die Architektur der glanzvollen Epoche erinnern und die neue Kolorierung für eine sportliche Wiedergeburt stehen. Beim 2:0-Sieg am Samstagabend gegen Griechenland trug die ehemalige Squadra Azzurra nun zum ersten Mal ihre neue Dienstkleidung (auf dem Bild jubelnde Spieler nach dem Führungstreffer, ), etwas widerwillig muss man sagen. Roberto Mancini, als Commissario Tecnico vermutlich so etwas wie der Leonardo Da Vinci des neuen italienischen Fußballzeitalters, verwies darauf, dass er vielleicht altmodisch sei, aber natürlich die traditionellen Hemden präferiere. Für den Nationaltrainer gab es Zuspruch von allen Seiten, etwa von der Torwartlegende Dino Zoff, aber auch von der postfaschistischen Partei "Fratelli d'Italia" ("Brüder Italiens"), die aus der Modefrage nur zu gerne ein Politikum machte und darin "eine Schändung" der Symbole italienischer Geschichte erkannt haben wollte.

Seit Samstag steht fest, dass sich die Italiener das debattenumwitterte Trikot offiziell bei der EM 2020 überstreifen dürfen (oder: müssen), durch den Sieg gegen Griechenland haben sie sich vorzeitig für das Turnier qualifiziert. "Grüne Ampel", titelte die Gazzetta dello Sport daher ein bisschen ironisch, tatsächlich rauschen die Italiener aber derzeit über sämtliche Hindernisse hinweg. Acht Siege in Serie hat Coach Mancini nun eingefahren, bei einem weiteren Erfolg am Dienstag gegen Liechtenstein kann er die Bestmarke von Vittorio Pozzo egalisieren, dem sagenumwobenen Weltmeistertrainer der Jahre 1934 und 1938.

Das fühlt sich wirklich ein bisschen nach Renaissance an angesichts des Umstands, dass die Italiener an der Qualifikation für die WM 2018 gescheitert waren. Die damals vergossenen Tränen sind jetzt getrocknet, die Nationalelf bereitet den Tifosi sogar wieder echte Freude.

Fast 60 000 Zuschauer fanden sich am Samstag im römischen Olympiastadion ein, die Mannschaft dankte es mit einer ansprechenden Leistung, zumindest in der zweiten Hälfte. Jorginho, Mittelfeldspieler des FC Chelsea, erzielte in der 63. Minute die Führung, der eingewechselte Federico Bernardeschi, Teilzeit-Spielmacher bei Juventus Turin, in der 78. Minute den Schlusspunkt per Distanzschuss. Es passte, dass zwei Kreativspieler trafen, immerhin standen in Marco Verratti (Paris St. Germain), Nicolo Barella (Inter Mailand), Lorenzo Insigne (SSC Neapel) und Federico Chiesa (AC Florenz) noch weitere fußballerische Feingeister auf dem Platz.

So sieht sie wohl aus, die Zukunft der Squadra Azzurra: Sie spielt in ungewohnten Farben, kombiniert aber auch flott, sie ist jung und hat Esprit. Und Trainer Mancini hat nach dem Erfolg gegen die Griechen angekündigt: "Bis zur EM werden wir noch besser."

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019
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