Süddeutsche Zeitung

JHV des FC Bayern:Als die Mitglieder sprechen, wird es hart für Hoeneß

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Aus der Halle von Martin Schneider

Am Ende haben die Mitglieder das Wort. Nachdem die Jahreshauptversammlung des FC Bayern zu Ende ist, darf jeder in der Halle sprechen. Und zwar wirklich jeder. Man muss seinen Wortbeitrag anmelden - das war's, mehr nicht. Bayern-Mitglied sein und melden - dann kann man vor Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, den Bayern-Vorstand und den Bayern-Mitgliedern sprechen. Es ist ein urdemokratisches Instrument, das möglich ist, weil der FC Bayern zwar ein Weltkonzern, aber auch noch ein Verein ist.

Und als die Mitglieder das Wort ergreifen, wird es hart für Uli Hoeneß.

Die Übertragung der Bayern-Hauptversammlung über die Vereinsmedien bricht vor den Wortbeiträgen ab, weil der FC Bayern die Persönlichkeitsrechte der Redenden nicht hat. So konnten erst einmal nur die Mitglieder in der Halle und nicht die Leute vor den Streams hören, was etwa Johannes Bachmayr zu sagen hatte.

Bachmayr stand am Rednerpult mit einer schwarzen Lederjacke, seine Wortmeldung hatte er unter dem Titel "Kritik an der Vereinsführung" angemeldet. Er begann seine Rede mit dem Satz: "Früher wollte ich werden wie Uli Hoeneß, der große Manager. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher." Schon für diesen Satz gab es Applaus. Und dann kritisiert Bachmayr die Vereinsführung.

Zum Umgang mit Paul Breitner, der von der Ehrentribüne verbannt wurde, sagte er: "Der Herr Dreesen ( Finanzvorstand, Anm.) wurde zum Telefon-Lakaien degradiert, weil Sie es nicht im Kreuz hatten, Ihren alten Weggefährten anzurufen." Die Halle tobte nach diesem Satz. Viele riefen "Bravo". Später sagte Hoeneß, Dreesen habe selbst angeboten, Breitner anzurufen.

Bachmayer sagte weiter: "Mein Verständnis vom Verein ist schon: Ein Ehrenspielführer ist nicht zu verbannen. Es ist nicht Ihr Stadion, der Verein ist nicht Ihr Eigentum. Paul Breitner hat ausgesprochen, was viele dachten und das muss man dann auch mal aushalten. Ich sage Meinungsfreiheit Artikel fünf Grundgesetz." Wieder Applaus. Bachmayr kritisierte auch - zum Teil sehr polemisch - die Ernennung von Hasan Salihamidzic zum Sportdirektor ("Konnte nicht mal auf einer Pressekonferenz seinen Tätigkeitsbereich beschreiben") und von Niko Kovac zum Trainer ("Er hat mal gesagt, 'Herz sei wichtiger als Taktik' - den Ansatz sehe ich auch bei unserem Spielvortrag"). Während die Halle tendenziell eher pro Kovac reagierte, wurde Salihamidzic auch an dieser Stelle vereinzelt, aber hörbar ausgelacht.

Und dann wird Hoeneß ausgepfiffen und ausgebuht

Bachmayr fragte sich: "Sind wir ein populistischer Stammtischverein oder ein Weltverein mit Herz?" Und: "Wir gehen zum Teil PSG ( Paris Saint-Germain, Anm.) übel an als Staatsverein von Katar - aber das Sponsoring aus Katar, das nehmen wir gerne an." Wieder großer Applaus in der Halle. "Wir rühmen uns des Erbes Kurt Landauers ( jüdischer Präsident des FC Bayern, Anm.), schreiben uns aber die Kataris auf die Ärmel."

Bachmayer sagte zu Hoeneß: "Sie treten regelmäßig nach. Ist das das Bild eines Weltvereins?" Er kritisierte Vetternwirtschaft, Dieter Hoeneß habe seiner Meinung nach als Spielerberater zu viel Einfluss, und die Würste für das Stadion, die würde auch Hoeneß liefern. Er frage sich, was Hoeneß eigentlich besser mache als sein Vorgänger Karl Hopfner und schloss seinen Vortrag mit dem Satz: "Der FC Bayern ist keine One-Man-Show." Und bekam großen Applaus.

Hoeneß, der während des Vortrags zunehmend zorniger auf seinem Stuhl saß, sagte: "Si tacuisses philosophus mansisses - hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben. Und dabei will ich es belassen. Da waren so viele Unwahrheiten drin, das würde drei Stunden dauern, das zu diskutieren. Ich nehme eine Diskussion auf dem Niveau nicht an."

Und dann wurde Hoeneß ausgepfiffen. Und ausgebuht. Viele riefen "Pfui". Ein Mitglied rief: "Und du willst Präsident sein?" Hoeneß ging trotzdem zum nächsten Wortbeitrag weiter. Später sagte Hoeneß, er wolle eine Nacht darüber schlafen und sich dann äußern.

Bachmayr war zwar der krasseste Fall von Kritik an der Jahreshauptversammlung, aber er war nicht allein. Viele äußerten ihren Unmut. Ein Mitglied namens Weinreich sagte: "Es wäre besser, einen Infantino aus den Ehrenlogen dieser Welt fernzuhalten als verdiente Spieler auszuschließen." Er kritisierte die Pressekonferenz, auf der sich der FC Bayern hinter Trainer und Mannschaft stellen wollte, auf der aber Karl-Heinz Rummenigge mit Blick auf die öffentliche Kritik an Spielern das Grundgesetz zitierte und Uli Hoeneß später gegen den Ex-Spieler Juan Bernat nachtrat ("hat einen Scheißdreck gespielt").

Vor allem bei den Themen Breitner und Bernat, stellvertretend für die Wortwahl bei der Pressekonferenz, war die Halle mehrheitlich contra Hoeneß und Vereinsführung. Das äußerte sich auch durch Applaus und Zustimmung bei verschiedenen Wortbeiträgen. Als Rummenigge sich in seiner Rede bei Bernat bedankte, klatschte die Halle wie sonst nur bei Nennung des Namens Jupp Heynckes. Und als Hoeneß und Rummenigge davon sprachen, sich in Zukunft ein bisschen zurückhalten zu wollen, entschieden sich viele für Szenenapplaus. Allerdings: Als Karl-Heinz Rummenigge Uli Hoeneß als "Mister FC Bayern" lobte, klatschten auch viele, einige riefen "Uli, Uli".

Es gab auch in der Vergangenheit auf Jahreshauptversammlungen Kritik an der Vereinsführung. Allerdings brauchte man dafür schon Mut, denn in der Regel waren die Leute, die den Kurs von Hoeneß und Rummenigge vorbehaltlos stützten, in der großen Überzahl. Wer Kritik äußerte, wurde manchmal schon von den anderen Mitgliedern zurecht gewiesen, ohne dass Hoeneß etwas sagen musste.

Als Hoeneß nach der Veranstaltung gefragt wurde, ob ihn die Kritik treffe, sagte er vielleicht auch deswegen nur: "Das trifft mich sehr, sehr."

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