Süddeutsche Zeitung

Hockey-WM in Indien:Vom vielen Pech beflügelt

Lesezeit: 2 min

Mit dem Weiterkommen der deutschen Hockeyspieler bei der WM war nicht mehr zu rechnen - doch der Glaube an sich selbst und ein 20-jähriges Talent hieven die Mannschaft ins Halbfinale.

Von Volker Kreisl

Manche Siege sind wichtig und doch schnell vergessen, andere wirken hinterher wie selbstverständlich und geraten schnell in Vergessenheit. Dieser Mittwoch der Hockey-Weltmeisterschaft in Bhubaneswar in Indien aber wird jedem Spieler oder Anhänger noch lange in Erinnerung bleiben.

Der 4:3-Sieg im Viertelfinale nach Shoot-out über England war mehr als nur irgendein Weiterkommen in einem wichtigen Turnier. Es war ein Sieg, der eine Mannschaft verändern kann. Die jüngeren Spieler jedenfalls, die bislang noch nie etwas vermeintlich Unmögliches geschafft hatten, erhielten zweifellos einen Schub fürs weitere Selbstvertrauen. Denn die deutsche Mannschaft von Trainer André Henning war bereits derart geschlagen, dass auch im Hockeysport mit seinen überraschenden Volten im Grunde keiner mehr ans Weiterkommen glauben konnte. Jedoch, Coach Henning pries später "die grandiose Mentalität" seiner Mannschaft: "Kurz vor Schluss 0:2 hinten, da hat kein Mensch mehr an uns geglaubt", sagte er und fügte an: "Wir aber schon."

Dass jeder rational denkende Zuschauer irgendwann durch war mit dem Glauben, es werde doch noch alles gut, lag an vielen Faktoren. Das Team, das sich "Honamas" nennt, brauchte gegen die Engländer ein schnelles Tor, stattdessen geriet es fünf Minuten lang in Unterzahl; zudem sah Torjäger Christopher Rühr die gelbe Karte. Die Deutschen rannten dennoch weiter an, kassierten dafür das zweite Tor und vergaben auch noch zwei Strafecken. 0:2 stand es schließlich im vierten Viertel der regulären Spielzeit - gegen die Engländer, deren Verteidigung besonders stark ist, was daran abzulesen war, dass sie in diesem Turnier noch keinen Treffer zugelassen hatten.

Doch weiter stemmte sich Hennings Team gegen die Niederlage, rannte an und erspielte sich einen Siebenmeter, eine wohl letzte Chance, die dann aber den endgültigen Knacks im Selbstbewusstsein der Deutschen ausgelöst haben müsste, denn Christopher Rühr knallte den Ball an die Latte.

Ein 20-Jähriger prägt das Penalty-Shoot-out

Manchmal aber entsteht aus so viel Pech auch eine instinktive Gegenreaktion. Das Team jedenfalls gab immer noch nicht auf, es stürzte sich nach vorne, Kapitän Mats Grambusch traf in der 57. von 60 Minuten regulärer Spielzeit zum Anschluss, und eine weitere Minute später nutzte sein Bruder Tom Grambusch die Chance per Siebenmeter zum Ausgleich.

2:2 stand es, das bisherige Spiel in seinen Tief- und Höhepunkten hatten die erfahreneren deutschen Spieler geprägt, das Penalty-Shoot-out nun aber ein 20-Jähriger: Jean Danneberg, ein junger Torwart aus Darmstadt mit herausragenden Reflexen und sauberem Stellungsspiel. Er setzte an diesem Tag womöglich ein weiteres Zeichen, mit seinen zwei abgewehrten Penaltys, aus denen sich der Endstand von 4:3 und der Einzug ins Halbfinale ergab.

Das Aufbegehren in der 57. Minute hatte also seine Wirkung, und wenn es nach den Spielern geht, dann bleibt diese Reaktion gegen den eigenen Schlendrian und auch gegen das Pech weiterhin in den Köpfen. Ziel ist es ja, nach dem bislang letzten Olympiasieg 2012 und dem jüngsten WM-Gold 2006 mal wieder einen ähnlichen Triumph zu feiern, um den Hockeysport wieder öfter in die Schlagzeilen zu bringen. Dazu müsste Hennings Team aber ins Finale vorrücken, und dafür wiederum muss es den Fokus aufs nächste Spiel setzen, auf einen Sieg am Freitag (12 Uhr), gegen den dreimaligen Weltmeister Australien. Und wenn es wieder schleppend losgehen sollte? Wird die Auswahl zumindest ihren Glauben nicht so schnell verlieren.

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