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Hertha BSC:Sogar der BER funktioniert besser

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Bei keinem anderen Bundesligaverein klaffen Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinander. Der größte Gegner bei Hertha BSC ist der eigene, überzogene Anspruch.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Es liegt nahe, den Fußballverein Hertha BSC mit dem Flughafen BER zu vergleichen, aber es ist falsch. Zwar handelt es sich um zwei ambitionierte Berliner Großprojekte, die über Jahre immer neues Personal verschlissen, immer neues Geld verschlangen und dafür Hohn und Spott über die Hauptstadt brachten. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Der Flughafen funktioniert inzwischen.

Hertha BSC hingegen droht nach dem 1:4 gegen Eintracht Frankfurt die Bruchlandung. Einen Punkt liegt der Verein noch vor einem Abstiegsrang, doch findet sich keine Statistik weit und breit, die den Berliner Fans Hoffnung spenden könnte, dass es wenigstens dabei bleibt. In der Rückrunde hat die Mannschaft kein Spiel gewonnen. In den vergangenen drei Begegnungen kassierte sie nicht nur drei Niederlagen, sondern auch 13 Gegentore.

Man kann nicht einmal sagen, dass die Mannschaft gegen Frankfurt auseinanderfiel - denn wenn erstmals seit Langem fast alle Spieler des Kaders zur Verfügung stehen und trotzdem das vielleicht schlechteste Saisonspiel herauskommt, dann fällt nichts auseinander, sondern es passt einfach wenig zusammen. Da spielt es schon fast keine Rolle mehr, ob Trainer Tayfun Korkut nun geht oder bleibt - sieht man davon ab, dass seine Entlassung auch den ersten großen Fehler von Manager Fredi Bobic markieren würde, der Korkut geholt hat.

Im Berliner Fußball gelingt ab und zu schon etwas - aber nicht bei der Hertha, sondern bei Union

Big City Club und Champions League, das sind die ewigen Ansprüche der Verantwortlichen. "Es kotzt mich an" und "Arsch hochkriegen", das sind die jüngsten Aussprüche der Spieler. Wohl bei keinem anderen Bundesligaverein klaffen Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinander wie bei Hertha BSC. Typisch Berlin?

Natürlich gibt es Parallelen zwischen dem Missmanagement im Fußball und dem in der Politik. Das Selbstverständnis als Weltstadt steht mitunter im krassen Gegensatz zum organisatorischen Versagen. Metropole sein wollen, aber schon in den Kiezen scheitern, das gibt es immer wieder in Berlin und seinen Bezirken. Trotzdem vibriert die Stadt, zieht Menschen aus aller Welt an, und wo die Leidenschaft größer ist als die Erwartungen, da gelingt auch oft etwas - sogar im Fußball, siehe Union Berlin.

Hertha BSC aber begeistert niemanden. Das liegt auch daran, dass man sich im Westend der Hauptstadt sofort im Normalzustand wähnt, wenn es mal kurzzeitig aufwärtsgeht, die Dauermisere aber gerne als Ausnahmeerscheinung fehlinterpretiert. Das gilt auf dem Platz und auch drumherum: Gewinnt die Hertha 3:2 gegen Dortmund, schielt man in Berlin sofort auf den Europapokal - und findet sich wenige Wochen später auf dem Relegationsplatz wieder. Kommt ein Geldgeber mit 375 Millionen Euro, sehen viele die Hertha schon in einer Reihe mit den Hauptstadtklubs aus London, Paris oder Madrid - bis der Investor keine drei Jahre später selbst an seinem Investment zu zweifeln beginnt.

Eines kann man deshalb doch lernen aus dem Vergleich zwischen Fußballverein und Flughafen, wenn auch nur eine sprachliche Nuance: Auf dem BER heben endlich Flugzeuge ab, bei Hertha BSC ist man schon viel zu lange abgehoben.

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