Süddeutsche Zeitung

Hertha BSC:Im Tal der Qualen

Lesezeit: 3 min

Eigentor, Pfosten, Elfmeter annulliert - und dann verletzen sich auch noch die Schlüsselspieler Cunha und Khedira: Beim 0:2 in Wolfsburg, dem neunten sieglosen Spiel, bleibt Hertha BSC kaum Verdruss erspart.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Der Ball war zum zweiten Mal im Netz von Hertha BSC gelandet, und auf das Gesicht des Berliner Trainers Pal Dardai zauberte sich ein Lächeln. Es war ein ungläubiges Lächeln, dem wohl auch eine Spur Galgenhumor innewohnte. Und in der Tat: Von Schicksalshaftigkeit sollte Dardai später sprechen, als das 0:2 zu den Akten gelegt war, von Fortuna und/oder Gott, die oder der sich abgewendet haben müsse, denn: "Das kann nicht sein, dass wir dieses Spiel mit 2:0 verlieren..."

Auch gegen Wolfsburg, gegen einen formstarken und zuletzt formidablen Gegner, der sich in anderen Tabellenregionen bewegt, habe sein Team eine vernünftige und disziplinierte Partie geboten, befand Dardai. Nur: Hertha verlor halt. Die Serie siegloser Spiele der Berliner ist nun schon neun Partien lang, vier davon trugen sich unter der Leitung Dardais zu. "Das muss sich drehen", sagte der Trainer und meinte auch: Es wird sich drehen, das Glück. Er wisse das, er habe lange genug gespielt. Und so weiß er auch: Es wird Zeit. Denn während die Wolfsburger ihren dritten Tabellenplatz festigten und sich auf das Viertelfinale im DFB-Pokal in Leipzig freuen dürfen, kokettiert die Hertha weiterhin mit einem Abstiegsplatz.

Es entbehrte tatsächlich nicht einer gewissen Tragik, wie die Niederlage zustande kam. Berlin hatte sich in den ersten Minuten der Partie in der Rolle des Teams gefallen, das dem Gegner Sand ins Getriebe streut, und sorgte dann sogar für die ersten (und für lange Zeit einzigen) Abschlüsse der Partie: Lucas Tousart versuchte sich aus 18 Metern mit einem Volleyschuss, den Wolfsburgs Torwart Koen Casteels sicherheitshalber zur Querlatte und damit zur Ecke lenkte (10.); der frühere Weltmeister Sami Khedira, der Hertha mehr defensive Stabilität verleiht, nahm in der 18. Minute Risiko auf sich, jagte den Ball aus der Distanz aber am Tor vorbei. Der Rest der Partie bestand hauptsächlich aus Fleiß, Arbeit und Gewissenhaftigkeit.

Ein Missgeschick und ein spätes Tor machen den Fleiß zunichte

Doch noch ehe die Frage drängend wurde, ob das Spiel noch so etwas wie prickelnde Faszination entwickeln würde, kam Ridle Baku. Der junge Wolfsburger Außenbahnspieler setzte sich auf der rechten Seite durch, passte scharf in den Strafraum und fand dort zwar keinen Mitspieler, wohl aber einen Kollaborateur: Herthas Verteidiger Lukas Klünter, der beim Versuch, die Szene zu klären und vor dem ansonsten inexistenten Wout Weghorst zu retten, den Ball spektakulär ins eigene Tor schoss (37.) - zum 0:1. Und, ach ja, das 0:2 fiel spät (89.) - nach einer Ecke von Maxi Arnold, die Innenverteidiger Lacroix per Kopf ins Tor wuchtete.

Die neuerliche Pleite war für die Berliner insofern verdaulich, als sie sich in Dardais Worten gerade "im Champions-League-Modus" befinden. Das bedeutet, sie spielen fast ausschließlich gegen Teams aus dem oberen Tabellendrittel und kalkulieren deshalb nicht mit der vollen Punktzahl. Andererseits: Auch Serien der Erfolgslosigkeit setzen bisweilen negative Dynamiken frei, die sich verstärken, wenn sie mit Episoden der Kategorie "bezeichnend" garniert sind. Davon konnte die Hertha am Samstag ein Lied singen.

Ein von Schiedsrichter Bastian Dankert eher herbeiphantasierter Elfmeter wurde vom Videoschiedsrichter wieder annulliert. Herthas bislang glückloser Außenverteidiger Deyovaisio Zeefuik spielte ausnahmsweise solide und hatte in der 58. Minute eine sensationelle Torgelegenheit, die er aber vergab. Und der eingewechselte Stürmer Krzystof Piatek traf den Pfosten. Außerdem waren da natürlich noch zwei Verletzungen, die der Hertha noch richtig wehtun können.

Gegen Augsburg soll der Befreiungsschlag gelingen - "ein Muss-Spiel", so Trainer Dardai

Denn kurz vor der Halbzeit brach Herthas Topscorer Matheus Cunha einen Sprint ab und tastete, auf dem Boden liegend, den linken Oberschenkel ab. Zur Halbzeit blieb er in der Kabine, "muskuläre Probleme", hieß es hinterher. In der 53. Minute erwischte es dann Sami Khedira, der vor seiner Zeit in Berlin bei Juventus Turin nur pausiert hatte. Nach einem Sprung zog es ihm offenbar in der Wade. Eine Diagnose stand am Samstagabend noch aus.

"Ich hoffe, dass sie sich schnell regenerieren", sagte Dardai mit Blick auf die kommende Woche, wenn der FC Augsburg bei der Hertha zu Gast ist. Anders als die Hertha ist der FCA auf Abstiegskampf gebürstet. "Das ist ein Muss-Spiel", erklärte Dardai. Er hoffe auf einen "Befreiungsschlag", der seiner Hertha allmählich dringend Not tut. Denn bislang ist sie nach Punkten in der Rückrunde sogar schlechter als der FC Schalke 04.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5219753
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.