Süddeutsche Zeitung

Sexualisierte Gewalt im Sport:Jan Hempel ist "erleichtert"

Lesezeit: 1 min

Weil sich ein Trainer jahrelang an ihm verging, erhält der ehemalige Wasserspringer vom Deutschen Schwimm-Verband mehr als eine halbe Million Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz. Nun will er auch anderen Betroffenen helfen.

Der ehemalige Wasserspringer Jan Hempel hat die Beendigung des Streits mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) über eine Entschädigung wegen jahrelangen sexuellen Missbrauchs als "Meilenstein" bezeichnet, dem "weitere" folgen würden. "Es waren viele Höhen und Tiefen. Es war sehr schwer, aber wir sind jetzt erst mal erleichtert, dass ein bisschen mehr Ruhe einkehrt", sagte der 52-Jährige am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Zugleich kündigte Hempel an, sich für andere Betroffene einsetzen zu wollen und forderte die Abschaffung der Verjährungsfrist bei Fällen sexuellen Missbrauchs: "Diese Frist muss auf den Prüfstand."

Am Montag hatten Hempels Anwalt Thomas Summerer und sein Manager Oliver Hillebrecht sowie der DSV nach langwierigen Verhandlungen über die Einigung informiert. Der DSV zahlt dem Olympiazweiten von 1996 Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von insgesamt 600 000 Euro. Der Vergleich garantiert Hempel eine Fix-Zahlung von 300 000 Euro sowie eine Zahlung von weiteren 300 000 Euro in monatlichen Raten über zehn Jahre hinweg. Die Höhe dieser Schmerzensgeldzahlung ist für Deutschland außergewöhnlich.

Hempels Fall hatte eine breite Diskussion über Missbrauch und Gewalt im deutschen Sport und deren Aufarbeitung ausgelöst. In einer Dokumentation der ARD unter dem Titel "Missbraucht - Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" hatte Hempel im August 2022 erstmals die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen seinen langjährigen, 2001 gestorbenen Trainer Werner Langer öffentlich gemacht. Demnach soll sich Langer von 1982 bis 1996 an dem Olympiazweiten von Atlanta 1996 vergangen haben. In dem Film warf Hempel dem DSV vor, schon 1997 von den Vorwürfen gewusst, aber nichts Entscheidendes getan zu haben. Zudem erhob Hempel Vorwürfe gegen den ehemaligen Sprung-Bundestrainer Lutz Buschkow, bereits Ende der 1990er-Jahre nachträglich von seiner jahrelangen Leidensgeschichte erfahren, aber ebenfalls nichts maßgeblich dagegen getan zu haben. Buschkow bestreitet dies.

Der DSV hatte Buschkow Mitte Oktober 2022 dennoch fristlos gekündigt, Buschkow klagte dagegen. Im Februar 2024 geht vor dem Arbeitsgericht Halle (Saale) die Verhandlung weiter. "Wenn diese Verhandlung abgeschlossen ist, wird sich ein weiterer Stein in meinem Leben gelöst haben. Ich hoffe, dass das irgendwann beendet sein wird. Dann werde ich auch wieder ruhiger schlafen können", sagte Hempel. Der ehemalige Spitzenathlet ist über die Einigung mit dem DSV auch deshalb dankbar, weil bei ihm die Krankheit Alzheimer diagnostiziert wurde; ein langwieriger Rechtsstreit wäre eine zusätzliche Belastung gewesen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6292756
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.