Süddeutsche Zeitung

Heimspiel:Himmelstürmend

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Beim 4:1 gegen Holstein Kiel spielt die SpVgg Greuther Fürth mitreißenden Fußball. Angreifer Daniel Keita-Ruel sagt einen Satz, der wie eine Drohung klingt.

Von Sebastian Leisgang

Die Fürther sind anständige Leute, und deshalb käme es ihnen niemals in den Sinn, falsch Zeugnis abzulegen wider ihres Nächsten. Am Samstagnachmittag verloren die Anhänger der Spielvereinigung aber im Zuge des 4:1 (0:0) gegen Holstein Kiel für einen Augenblick außer Acht, was Recht und Unrecht ist.

Obwohl das Spiel längst auf die Zielgerade eingebogen war, weigerte sich die Mannschaft von Trainer Damir Buric vehement, ein Gegentor zu kassieren, und die Fürther sangen auf den Tribünen, wie schön es gerade doch sei und dass man so etwas schon lange nicht mehr erlebt habe. Die Wahrheit ist aber: Im Ronhof zählen solche Augenblicke inzwischen ebenso zum Alltag wie leere Sitzschalen.

An dieser Stelle dürften die Fans einwenden, dass es durchaus ungewöhnlich war, wie mitreißend und himmelstürmend ihre Mannschaft an diesem Samstagnachmittag in der zweiten Hälfte gespielt hatte, und das ließ sich tatsächlich nicht leugnen. Dass die Fürther zu Hause einmal mehr erfolgreich waren, dürfte es aber kaum noch in eine Nachrichtensendung schaffen, denn ein erfolgsgekrönter Auftritt vor eigenem Publikum ist längst keine Neuheit mehr. Die Mittelfranken haben nur eines der vergangenen 15 Heimspiele verloren. Das ist weit mehr als eine Laune der Natur.

Nach der Partie sagte Fürths Trainer Damir Buric: "Ich möchte erst mal ein Riesenkompliment an unsere Jungs richten. Die Art und Weise, wie sie heute gespielt haben, verdient einfach großen Respekt und Lob - auch von allen Seiten." Nach nunmehr fünf Spielen in der zweiten Bundesliga hat seine Mannschaft bereits elf Punkte - und das bedeutet Platz eins. Gerade der jüngste Auftritt gegen Kiel weckt Sehnsüchte - zumindest nach einer geruhsameren Spielzeit als im vergangenen Jahr. "Es war eine schöne Werbung für den Fußball", meinte Buric und sprach dann jenen Offensivfußball an, der den Anhang in der Schlussphase verleitete, glückstrunken falsch Zeugnis abzulegen.

Der Japaner Yosuke Ideguchi erzielt bereits im ersten Spiel sein erstes Tor für die Spielvereinigung

Die 90 Minuten gegen Holstein erzählten zweieinhalb Geschichten, wobei die beiden Tore von Daniel Keita-Ruel allenfalls als halbe Geschichte durchgingen. In Fürth haben sie sich ja schon daran gewöhnt, dass sie den Namen des Angreifers ein bisschen häufiger rufen müssen als etwa den des defensiven Mittelfeldspielers Lukas Gugganig. Das liegt allerdings auch daran, dass sich der Stadionsprecher auf eine nüchterne Durchsage ohne das Zutun der Fans beschränkt, wenn der Schiedsrichter eine gelbe Karte zückt.

Eine Geschichte, die durchaus vollwertig war, schrieb David Atanga, die Leihgabe aus Salzburg. In den ersten Partien hatte der offensive Mittelfeldspieler seine Vorzüge allenfalls angedeutet, seinen Esprit, seine Dynamik, seinen Spielwitz, all das also, womit er die Fürther Offensive beleben und ein Spiel alleine entscheiden kann. Gegen Kiel aber brillierte Atanga in der zweiten Hälfte, er trieb die Mannschaft unablässig an, bereitete drei Treffer vor und entschied das Spiel tatsächlich alleine.

So stand er Yosuke Ideguchi nur in Sachen Tore nach. Der Japaner erzählte die zweite ganze Geschichte - denn er spielte zum ersten Mal für Fürth und trat prompt als Torschütze in Erscheinung, obwohl er lange Zeit den Eindruck erweckte, als halte er sich gezielt aus dem Spiel heraus, um bloß nicht in den Mittelpunkt zu rücken und seinen Namen aus 8370 Kehlen zu hören. Später stand er mit einem Dolmetscher vor den Journalisten und sagte: "Ich wollte meine Chance nutzen und etwas zurückgeben. Das ist mir gelungen." Es war Ideguchis forscheste Aussage. Damit hielt er sich an die zurückhaltende Sprachregelung, die alle Fürther nach dem erfolgreichen Saisonstart penibel pflegen.

Als Keita-Ruel nach dem dritten Sieg gefragt wurde, welche Bedeutung es habe, dass die Spielvereinigung nun in der Spitzengruppe der Tabelle zu finden sei, entgegnete er nur: "Gar keine." Die Journalisten mühten sich dann zwar, dem Angreifer etwas zu entlocken, Keita-Ruel wiederholte jedoch nur: "Gar keine." Dann führte er aus: "Es war gerade mal der fünfte Spieltag. Wir sind keine Mannschaft, die träumt. Wir sind sehr bodenständig." Und ohnehin: "Die Tabellensituation hat gar nichts zu sagen" - auch wenn sie den Fürthern nun doch den einen oder anderen Beitrag in den Nachrichten einbringen dürfte.

Keita-Ruel selbst hat nach fünf Partien bereits fünf Tore geschossen. Dennoch betonte er auch nach dem dritten Heimspiel, in dem er erfolgreich war: "Ich bin nie zufrieden." Für die Konkurrenz dürfte das wie eine Drohung klingen.

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SZ vom 17.09.2018
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