Süddeutsche Zeitung

Hans-Michael Holczer bei der Tour de France:Der Kommunikator schweigt

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Radteam-Manager Hans-Michael Holczer wetterte einst als Chef des Gerolsteiner-Teams mit Verve gegen Doping. Bei dieser Tour de France leitet er das russische Team Katjuscha mit einigen fragwürdigen Profis - und äußert sich nicht mehr.

Andreas Burkert, Pau

Diesen Vormittag steht Hans-Michael Holczer selig lächelnd zwischen den roten Teammobilen. Es ist der Tag nach Bekanntwerden der positiven Dopingprobe von Frank Schleck. Holczer plaudert mit Torsten Schmidt, seinem früheren Fahrer bei Gerolsteiner, wie zahlreiche andere Begleiter beim einstigen Team aus der Eifel hat er auch ihn bei seinem neuen Arbeitgeber untergebracht, bei der russischen Mannschaft Katjuscha.

Zum Kernthema des Radsports, das durch Schlecks Affäre wieder aktuell ist bei der Tour de France, äußerte sich der schwäbische Teammanager Holczer früher ausführlich und engagiert. Jetzt schweigt der Herrenberger. In Pau hat es die dpa mal versucht. Könnte ja sein. Was er zur Sache Schleck sage? Holczer sagt nichts. Er entgegnet nur: "Nicht mal im Off würde ich dazu etwas sagen."

Was diese neue Enthaltsamkeit Holczers begründet, das ist die Frage. Er weiß natürlich, dass ihn inzwischen viele doch ganz anders sehen als früher, als er ein Jahrzehnt der Kommunikator bei Gerolsteiner war und ein prägnanter Prediger für sauberen Sport. Doch dann verschwand ausgerechnet seine Mannschaft im Spätherbst 2008 als Skandalteam, wegen der Dopingfälle des Tourdritten Bernhard Kohl, des Etappensiegers Stefan Schumacher, des Italieners Davide Rebellin: erwischt mit Epo. Holczer zog sich zurück, desillusioniert, wie er sagte.

Jetzt ist Holczer, 58, wieder da. Er hat sein Lehramt abgegeben, sogar endgültig auf den Beamtenstatus verzichtet. Um bei Katjuscha sein Comeback zu geben. Ausgerechnet bei diesem von Affären begleiteten Rennstall. Im Frühjahr begrüßte der Dopingfall Denis Galimsjanow den neuen Chef aus Deutschland. Auch der deutsche Sprintcoach Erik Zabel war bedient, er arbeitete mit dem Sünder. Zabel ist wegen Verträgen mit einem Ausrüster bei Katjuscha eingestiegen, widerwillig, wie es heißt. "Ich habe es mir schlimmer vorgestellt", sagt der Berliner entwaffnend ehrlich zur Atmosphäre. Hat er keine Angst, von negativen Schlagzeilen belastet zu werden? "Ick mach' die ja nicht."

Der frühere Topsprinter Zabel, 42, hat für seine Zeit bei Telekom ein Dopinggeständnis abgelegt. Er scheint mit sich im Reinen zu sein. Doch wie fühlt sich Holczer bei Katjuscha? Was er dort macht und warum vor allem, würde man gern wissen. "Da komm' ich im Moment natürlich nicht gut weg", sagte Holczer anfangs der Tour. Und gab dann doch seine Gesprächszusage.

Zu bereden gäbe es einiges, sicher auch zu noch Gerolsteiner. Dass er, der Vater der Kompanie, vom Betrug dort etwas gewusst haben muss, das vermutet inzwischen ja nicht nur Zabels langjähriger Teamkollege Rolf Aldag ("Läuft Holczer blind durch die Welt?"). Dass er also angeblich weggeschaut habe, wenn er im Mannschaftshotel die Türen öffnete und dahinter Dinge sah, die er vielleicht doch duldete. Dass er jetzt zu Katjuscha ging, passt ins Bild derjenigen, die Vorbehalte haben.

Hinter dem von Präsident Putin protegierten Projekt steht offenkundig Igor Makarow, Firmenchef der auf Curaçao gemeldeten Itera-Holding (Gas und Öl); über den Multifunktionär wurde laut Presseberichten 2005 vor Gericht aktenkundig, dass er Kontakte zur sizilianischen Mafia gehabt habe. Interessant wäre auch, von Holczer zu erfahren, warum er nun Fahrer wie den russischen Kapitän Denis Mentschow mit Verve begleitet, jetzt bei der Tour oder neulich bei der Zeitfahrmeisterschaft in Moskau. Mentschow streitet Doping ab und gilt doch als Kunde der Humanplasma-Blutbank - und taucht nun auch in italienischen Ermittlungen zum Dopingarzt Ferrari auf. Katjuscha-Profi Angel Vicioso war Kunde beim Blutdoktor Fuentes, das ist bekannt. Doch stimmt es auch, dass Holczer neben alten Spezln wie Uwe Peschel oder Michael Rich auch jenen russischen Militärarzt beschäftigen lässt, der beim früheren Gerolsteiner-Dopingfall Danilo Hondo Gegenstand von Diskussionen war?

Der Kommunikator schweigt. "Nach Rücksprache mit Hans Holczer passt ein Interview im Moment nicht", schreibt am Tag nach der Zusage der Pressesprecher. Auch er jobbte früher bei Gerolsteiner.

Ein weiterer Versuch, am Katjuscha-Teambus, beim italienischen PR-Mann. Kann vielleicht er etwas sagen über die Strukturen des Projekts sagen, über Personalien wie Holczer?

Nein, ich bin hier Pressesprecher!" - Aber müsste ein Sprecher bei solchen Fragen nicht ein wenig Bescheid wissen? Wer entscheidet denn bei Katjuscha? "Keine Ahnung, wahrscheinlich Makarow in Moskau. Ich weiß es nicht!"

Für vier Jahre hat Holczer in Moskau unterschrieben. Er hat jetzt einen Zweitwohnsitz am Gardasee, dort ist das Team stationiert. Die Bezahlung wird ordentlich sein. Dafür verlor er nicht nur die Sprache.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2012
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