Süddeutsche Zeitung

Handball-WM:Mimi Kraus macht ernst

Lesezeit: 3 min

Von Joachim Mölter

Jetzt hat er es schon wieder getan. Jetzt hat Michael Kraus schon wieder nachgewiesen, was für ein toller Handballer er sein kann. Wenn er fit ist. Wenn sein Körper in Form ist und sein Kopf bei der Sache. Vor allem das zuletzt Genannte.

Michael Kraus wird ja nicht umsonst immer noch "Mimi" genannt, obwohl er mittlerweile 35 Jahre alt ist. Er war jahrelang ein Lausbub, stets für einen Spaß zu haben, nicht ständig mit dem nötigen Ernst bei der Arbeit. "Ich hatte viele Flausen im Kopf", gibt er zu, "aber das ist schon lange nicht mehr der Fall." Wenn Mimi Kraus nun an die Arbeit geht, macht er ernst.

Gerade hat er schon wieder eine gegnerische Mannschaft in der Bundesliga fast alleine überwältigt: Am Donnerstagabend war er mit elf Toren beteiligt am überraschenden 30:25 seines TVB 1898 Stuttgart bei den Füchsen Berlin. Anderthalb Wochen zuvor hatte er beim 37:34 über den TSV Hannover-Burgdorf sogar 18 Mal ins Tor getroffen und damit seine persönliche Bestmarke um zwei Treffer überboten. Kraus kam auch dem Ligarekord des Hamburgers Stefan Schröder gefährlich nahe, den 21 Toren aus der Saison 2008/09. Der ehemalige Rechtsaußen war der Erste, der Kraus gratulierte: "Kurz geschwitzt", schrieb Schröder seinem früheren Teamkollegen bei Whatsapp, "war froh, dass dich dein Trainer ausgewechselt hat!"

"Er hat zwei überragende Spiele gemacht", sagt sein Trainer

Jürgen Schweikardt ist der Trainer in Stuttgart, der 38-Jährige sagt über Kraus: "Er hat zwei überragende Spiele gemacht. Man merkt, dass er körperlich fit ist. Wenn dann noch Selbstvertrauen dazukommt und man einen Lauf hat und etwas Glück, dann passiert so etwas." Nun ist es nicht so, dass Schweikardt die vielen Tore seines Spielmachers völlig überrascht haben: "Wir wissen ja, dass er diese Qualitäten hat", sagt er, "aber er hat auch ein gewisses Alter und immer wieder kleinere Verletzungen gehabt zu Saisonbeginn. Deshalb ist er vielleicht erst jetzt in dieser Form."

Gerade rechtzeitig, um sich noch einmal für das Nationalteam ins Gespräch zu bringen. Für dieses ist Mimi Kraus zuletzt im Januar 2015 aufgelaufen, bei der WM in Katar. "Ich beschäftige mich nicht zu sehr damit", sagt er, aber er könne sich ein Comeback vorstellen. "Im Profisport sollte das Leistungsprinzip zählen", findet er und fragt kokett: "Wieso soll das denn dann keine Bewerbung gewesen sein?"

Zwischen seinen torreichen Auftritten lag ja eine Länderspielpause, in der die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) zwar zwei EM-Qualifikationsspiele gewann (37:21 gegen Israel und 30:14 gegen Kosovo), aber auch Personalnot offenbarte im zentralen Rückraum. Im Hinblick auf die Heim-WM im Januar 2019 hatte Bundestrainer Christian Prokop sogar den nur noch in der Zweiten Liga aktiven Europameister Martin Strobel, 32, zum Comeback überredet. Wieso sollte er denn dann nicht auch über Kraus nachdenken, den ehemaligen Weltmeister?

"In der aktuellen Verfassung ist er natürlich ein Thema", findet sein Klubtrainer Schweikardt, der allerdings darauf hinweist, dass es bei der Nationalmannschaft "ja auch um Konstanz" gehe. Das ist freilich ein Thema für sich - Michael Kraus und die Konstanz.

Im Mai kommt das dritte Kind zur Welt

Der 1,87 Meter große Rückraumspieler hat sein Können als Torjäger und Spielmacher oft bewiesen: Er hat die DHB-Auswahl bei der Heim-WM 2007 zum Titel geführt, als der etatmäßige Regisseur Markus Baur verletzt ausfiel; er ist damals als zweiter Deutscher neben Torwart Henning Fritz ins All-Star-Team des Turniers gewählt worden. 2013 hat er dem HSV Hamburg zum Champions-League-Titel verholfen, im Finale gegen den favorisierten FC Barcelona erzielte er nach seiner Einwechslung zur Pause noch sechs Tore. Aber davor, dazwischen und danach hat er auch immer wieder Termine vergessen, Abflüge verpasst und Trainer in den Wahnsinn getrieben. Der ehemalige Bundestrainer Heiner Brand ernannte ihn mal zum Kapitän seiner Auswahl und setzte ihn bald wieder enttäuscht ab.

"Ich komme sehr gut mit ihm klar", sagt nun Jürgen Schweikardt: "Er ist immer noch so aufgeweckt und lustig, wie er immer war. Aber er ist auch ein bisschen ruhiger. Man merkt, dass er Familienvater ist." Michael Kraus hat eine Tochter und einen Sohn, das dritte Kind ist unterwegs, "es wird ein Mai-Kind", sagt er. Die WM wird im Januar ausgetragen, da hätte er also noch Zeit. Aber wenn ihn der Bundestrainer nicht braucht, ist's auch nicht schlimm, versichert Mimi Kraus: "Ich versuche, jede freie Minute mit meiner Familie zu verbringen."

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Quelle:
SZ vom 03.11.2018
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