Süddeutsche Zeitung

Handball-WM der Frauen:K.o.-Spiel nach dem K.o.

Lesezeit: 2 min

Von Saskia Aleythe, Magdeburg

Anna Loerper wusste ihre Zeit zu nutzen. Die Kapitänin des deutschen Handballnationalteams hatte den Kopf noch voll von den letzten Eindrücken dieser Heim-WM, es waren keine positiven, allzu sehr hatten die Niederländerinnen die Deutschen mit einem 31:23 im letzten Gruppenspiel gequält. Schlafen konnte Loerper in der Nacht danach erst mal nicht, statt sich ruhelos im Bett zu wälzen, schwenkte sie um zur Videoanalyse: "Dänemark gegen Russland, die Partie kenne ich jetzt schon."

Gut möglich, dass sie der ein oder andere Spielzug der Däninnen bis in ihren Schlaf verfolgt hat, was ihr ein paar Vorteile für die kommende Aufgabe bringen könnte: Am Sonntagabend um 20.30 Uhr, nur 48 Stunden nach der Demütigung gegen die Niederlande, trifft die deutsche Mannschaft im Achtelfinale auf den EM-Vierten Dänemark; diese WM soll für das Team von Michael Biegler noch nicht zu Ende sein, schließlich war das Halbfinale stets als Ziel ausgegeben worden. Schon nach dem dritten Gruppenspiel waren die Deutschen ins Achtelfinale eingezogen, doch ausgerechnet jetzt ist die Lage angespannt. "Mit dem Achtelfinale fängt die WM neu an", sagt Biegler, "am Sonntag wird abgerechnet". Aber klar ist ja auch: So ein Spiel wie gegen die Niederländerinnen muss man erst mal aus dem Kopf bekommen.

Die Däninnen spielen ähnlich flink wie Holland

"Das muss man jetzt als Team verarbeiten", sagt Loerper, sie hätten viel gesprochen in der Mannschaft, um irgendwie dahinter zu kommen, was Freitagabend schief gelaufen war. Nadja Mansson hatte den Auftritt ihrer Mannschaft als Totalausfall bezeichnet und lag damit ziemlich richtig: Die Niederländerinnen waren den Gastgebern in Sachen Schnelligkeit weit überlegen, was in fast jeder Aktion in Angriff und Abwehr zu sehen gewesen war. Und weil sich Bieglers Truppe dann selber noch einen technischen Fehler nach dem anderen leistete, hatte der Trainer das Spiel schon nach einer Halbzeit abgehakt, "schon da hat die Reparaturarbeit fürs Achtelfinale angefangen".

Die Däninnen hatten ihren Totalausfall schon zum Turnierstart, gegen Montenegro verlor man mit 24:31. Danach folgten torreiche Spiele gegen Japan (32:18) und Tunesien (37:19), auch Brasilien bezwang man (22:20). Nur gegen Olympiasieger Russland (25:32) reichten die spielerischen Mittel erneut nicht aus. Was für Deutschland ein Problem ist: Auch die Däninnen sind wie die Niederländerinnen flinke Handballspielerinnen. "Sie wollen über Tempo kommen", sagt Torhüterin Clara Woltering, "und wir müssen aufpassen, dass wir vorne nicht die Bälle wegschmeißen". Tatsächlich potenziert sich bei konterstarken Gegnern die Strafe für jeden Fehlpass und Schrittfehler, schnelle Angriffe zu bekommen, gilt es für die DHB-Frauen zu vermeiden. "Da stehen harte 60 Minuten vor uns", glaubt Woltering.

Umso intensiver läuft nun die Videoanalyse, Trainer Biegler hat dafür einen eigenen Experten, der ihm schon als Nationaltrainer der polnischen Männermannschaft zur Seite stand und Eindrücke soufflierte. Mit Polen holte Biegler 2015 WM-Bronze - übrigens auch nach einem dritten Platz in der Gruppenphase. Danach war er vom Deutschen Handballbund (DHB) engagiert worden, um genau bei dieser WM das Bestmögliche zu erreichen. Eindrücke der vergangenen 20 Monate führt er immer wieder gerne an, auch um Hinweise zu geben, was seine Mannschaft zu leisten im Stande ist. "Die Mannschaft hatte in den 20 Monaten unseres Projektes immer mal eine schlechte Halbzeit", sagte Biegler beispielsweise am Freitagabend, "bis jetzt hat sie das immer repariert bekommen".

Der Zusammenhalt im Team gehört ja zur größten Stärke des deutschen Teams, etwas, das sich im Achtelfinale in Magdeburg durchaus hochschaukeln könnte. Bevor Anna Loerper zur Abfahrt in den Mannschaftsbus stieg, sagte sie noch: "Im Aufstehen sind wir ganz gut." Auch wenn manchmal eine schlaflose Nacht dazwischen liegt.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2017
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