Süddeutsche Zeitung

Handball:Lohn der Frühaufsteher

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Mit Geschlossenheit und harter Arbeit legen Erlangens Handballer den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte hin.

Von Sebastian Leisgang

Nur einen einzigen Satz, exakt 14 Wörter, mehr braucht Carsten Bissel nicht, um auf den Punkt zu bringen, was den HC Erlangen gerade so erfolgreich macht. Dass die Mannschaft den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte hingelegt hat, das habe eine Menge mit Trainer Raul Alonso zu tun, sagt Bissel. Dann lässt der Vorsitzende des Erlanger Aufsichtsrates jenen Satz folgen, der wohl erklärt, was hinter dem Erfolg steht. Alonso stehe jeden Tag um sechs auf, verrät Bissel: "Und wenn er mal um fünf nach sechs aufsteht, hat er ein schlechtes Gewissen."

Das ist es, was dazu geführt hat, dass Alonsos Mannschaft die Bundesliga aufmischt. Das ist es, was Erlangen nach den ersten fünf Spielen mit 8:2 Punkten dastehen lässt. Und das ist es auch, was eine Menge über Alonso aussagt.

Eine Erinnerung an ein Gespräch im vergangenen Winter, gut ein halbes Jahr ist es jetzt her. Alonso war erst seit ein paar Wochen im Amt, doch die ersten Spiele unter seiner Führung ließen schon vermuten, dass es passen könnte zwischen ihm und der Mannschaft. Alonso, 43, saß in seinem Büro und wollte nicht verraten, wie lange er Tag für Tag arbeite. Ein paar Stunden seien es schon, meinte er - aber wie viele, das tue doch nichts zur Sache. Er wolle kein großes Thema daraus machen, schließlich habe er sich aus freien Stücken dazu entschlossen, den Trainerposten zu übernehmen.

"Ich bin vorsichtig, weil ich weiß, wie schnell es im Sport gehen kann", sagt der Aufsichtsrats-Vorsitzende Carsten Bissel

Als Alonso das sagte, war gerade Februar. Jetzt ist September, an diesem Sonntag kommt die MT Melsungen zu Besuch, und auch wenn Erlangen am Donnerstagabend in Leipzig mit 29:32 seine erste Saisonniederlage eingesteckt hat, haben sich die ersten Eindrücke längst bestätigt: Ja, es passt zwischen Raul Alonso und den Spielern. "Mannschaft und Trainer haben sich gefunden", sagt Bissel, "wir sind zwar immer noch ein kleiner Verein, aber wir schaffen es, mit Begeisterung und Geschlossenheit Erfolge zu erzielen." Und das, obwohl Alonso im Erlanger Spiel hinten wie vorne mittlerweile derart vieles verändert hat, dass er zu Beginn der Saisonvorbereitung kein herkömmliches Trainingslager ansetzte - sondern drei Tage Theorieunterricht. Was bedeuten die Regeländerungen für das Spiel? Was ist in der Deckung gefordert? Und welche Varianten gibt es im Positionsangriff?

Das alles war zu besprechen - und das alles wurde besprochen. Dass die Spieler begriffen haben, worum es Alonso geht, das haben die ersten Saisonwochen ziemlich eindrucksvoll gezeigt. Dennoch will Bissel nicht einstimmen in all die Lobeshymnen, die derzeit auf Erlangen gesungen werden. Er sagt: "Ich bin vorsichtig, weil ich weiß, wie schnell es im Sport gehen kann." Er weiß allerdings auch: Die Erfolge, die die Mannschaft gerade in den siebten Himmel fliegen lassen, sind alles andere als Zufall. Sie beruhen auf harter Arbeit - und darauf, dass Raul Alonso vermutlich nicht allzu oft ein schlechtes Gewissen hat.

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